Kilimanjaro, Tag 6: Endlich! Der Uhuru Peak - 5.895m!
Der längste Tag! Von 4.700m geht es hoch zum Uhuru Peak auf 5.895m und dann runter auf 3.720m. Mal schauen, wie wir uns auf den insgesamt 21 Kilometern schlagen.
Den Artikel habe ich direkt am Ende des Tages auf dem Smartphone geschrieben. Er zeigt ungefiltert persönliche Emotionen und Wahrnehmung bei der Besteigung. Etwaige Rechtschreibfehler bitte ich zu verzeihen. Unten findest du die Best-of-Bildergalerie dieses Tages.
Unsere Gruppe ist nach Leistung aufgeteilt. Wir starten zu drei unterschiedlichen Zeiten. Unser Ziel ist es, um 7 Uhr gemeinsam auf dem Gipfel zu stehen.
Ich darf bis 2:00 Uhr liegen bleiben. Tjalf hat sich leise um 0:30 Uhr aus dem Schlafsack in die Kälte bewegt. Er ist seit 1:00 Uhr auf dem Weg mit den anderen. Regina durfte sogar gegen 23:30 Uhr los. So kann jeder in seinem Tempo zu Uhuru Peak kommen.
Hell leuchtet der Kibo
Als ich aus dem Zelt schaue, sehe ich eine Mond-erleuchtete, verschneite, atemberaubende Landschaft. Zum Abend hin hat es begonnen zu Schneien. Aber dass es so viel werden sollte?
Ich freue mich, dass es endlich los geht. Alles liegt bereit für den Aufstieg. Da ich möglichst schnell steigen will, ziehe ich mich recht dünn an. Socken, dünne Unterhose und Trekking-Hose, ein Funktions-Shirt, langarmiges Fleece und die Hardshell-Jacke. B/C-Kategorie-Stiefel ohne Steigeisen. Im Rucksack noch die Daunenjacke, Regenhose und Wechsel-Shirt und -socken, Schoko-Riegel und gut 1,5 Liter Wasser. Mehr brauche ich von letzterem nicht, da es eh später gefroren sein wird. Einen wichtigen Tipp, um möglichst lange aus der Trinkblase trinken zu können, habe ich an das Team weitergegeben: Immer das Wasser aus dem Trinkschlauch zurückblasen. Dann zudrehen. Denn sonst friert der Trinkschlauch in wenigen Minuten zu.
Innerhalb weniger Minuten bin ich bereit. Ich springe dynamisch aus dem Zelt. Die Stirnlampe werfe ich wieder zurück. Es ist so hell, dass ich sie nicht brauche. Außerdem genieße ich auf diese Weise die dunkle Stimmung und den sternentragenden Nachthimmel. Das ist für mich der Reiz der Gipfelnacht. Die Augen gewöhnen sich schnell an die Umrisse des Anstiegs.
Innocent, unser jüngster Bergführer, soll mich begleiten. Ich gehe den flachen Einstieg zum Gipfel schnell hoch. Irgendwann verliere ich Innocent. Zwar höre ich noch ein leises Rufen, aufhalten lassen will ich mich aber nicht. Wichtig ist es, den eigenen Rhythmus zu finden. Mit einer gewissen Höhe werde ich eh langsamer werden.
Drei Zielpunkte zum Gipfel
Es gibt drei Zielpunkte auf der Strecke von der Kibo-Hut zum Gipfel: Den Gilmans Point am Kraterrand auf 5.685m, den Stella Point, an dem unsere mit der zweiten Aufstiegsroute zusammentrifft, auf 5.756m, und den Uhuru Peak auf 5.895m. Das heißt, sobald ich den Kraterrand erreiche, ist es nur ein Spaziergang. Bis dahin sind es aber fast 1.000 Höhenmeter. Ich blicke hoch zum Rand des Kraters, der sich deutlich als Linie vor dem Nachthimmel abzeichnet. Im Serpentinen sehe ich die anderen Gruppen als Lichterketten mit ihren Stirnlampen den Hang hochgehen. Ich halte das ganze für nicht so steil. Daher gehe ich keinen Zick-Zack, sondern direkt. So kann ich alle anderen Gruppen einfacher überholen.
Die erste Gruppe macht mich direkt wütend. Ein riesiger Mix aus Chinesen und Amerikanern. Und ein Ghetto-Blaster dabei, aus dem irgendeine völlig ununterscheidbare Quäkerei von Justin Sheeran Bieber läuft. Ich werde sauer und schreibe die Bergführer an „What the fuck! Stop this shit. This is a mountain and a summit night, not a club.“ Danach schalten sie den Ghetto-Blaster aus und singen ihren Kilimanjaro-Song. Das ist für mich in Ordnung. Die Besteigung des Kibo ist nicht die große Herausforderung und sie ist für fast alle Touristen geeignet. Aber etwas Würde und Demut gegenüber dem Berg und der Natur gehören dazu. In diesem Moment freue ich mich auf die nächsten der Seven Summits, an denen ich keine Nicht-Bergsteiger treffen werde.
Die Wut motiviert mich umso mehr. Ich sprinte an allen Gruppen vorbei. Meine Kondition und Kraft ist super. Die Schritt-Frequenz bleibt gleich hoch. Während ich am Gipfeltag zum Aconcagua versucht habe 10 bis 20 Schritte beizubehalten, sind hier es lockere 100. Ich zähle trotzdem, da es ablenkt und der Rhythmus hilft. Irgendwann bin ich allen Gruppen vorbei und sehe keine Spuren im Schnee mehr. Ich rufe noch mal zurück: „Where is the Gilmans Point?“ – die Antwort aus der Dunkelheit „Just the ridge!“. Ok. Dann weiter. Ohne die Spuren entscheide ich mich für den direkten Weg hoch. Eine Steigung von rund 50° erwartet mich. Auf allen vieren klettere ich weiter und halte mich an den Felsen fest. Irgendwann stehe ich auf dem Kamm und orientiere mich. Rechts unter mir sehe ich das Schild des Gilmans Point. Ich bin zu hoch. Also wieder abklettern.
Frösteln am Gilmans Point
Um 4:30 Uhr stehe ich so an diesem ersten Meilenstein. Alleine. Im Dunkel. Ich bin durch das schnelle Steigen durchgeschwitzt. Trotz der Minusgrade wechsle ich Socken, Funktionsshirt und ziehe die Regenhose und Daunenjacke drüber. Ich fröstle zwar, werde aber warm. Ich nutze die Zeit und mach ein paar wunderbare Fotos mit der Spiegelreflex. Gut, dass die funktioniert. Jetzt ziehe ich mich in einen Überhang zurück und warte. Der Weg zum Stella Point führt an einem schneebedeckten Anhang entlang. Den Weg kenne ich nicht und gehe daher kein Risiko ein.
Irgendwann höre ich eine tiefe Stimme „Where is your mountain guide?“. Das ist die letzte Gruppe, die ich überholt habe. „I lost him.“ Plötzlich sehe ich ein breites Grinsen vor mir. Das ist Innocent. Er hat Tjalf und Gwen-Jana dabei. Ich freue mich tierisch, dass diese beiden so gut drauf sind. Nicole hatte sich von Beginn des Anstiegs ein paar Mal übergeben. Ihr Ehemann Hans-Urs ist bei ihr geblieben. Sie kommen mit Julio nach. Wo Regina steckt, weiß ich nicht.
Um kurz nach 5:00 Uhr geht es weiter. Ich schließe mich der schnellen Gruppe mit zwei Israelis an. Fittes und sympathisches Volk, das kenne ich schon aus meinen Südamerika-Reisen. Wir müssen abwechselnd spuren. Der Schnee auf dem Kraterrand ist tief und der Abhang nah. Wir gehen schnell, aber konzentriert. Nachher höre ich, dass dort Stahlseile zum Festhalten gespannt sind. Die nutzen wir aber nicht. Schnell kommen wir zum Stella Point. Hier wird es voll. Menschenmassen aus beiden Basislagern treffen hier zusammen. Unruhe. Viele erschöpfte Menschen. Ich lasse die Israelis ziehen. Die letzten Meter zum Uhuru Peak will ich gemeinsam mit Tjalf und Gwen-Jana wandern. Sie kommen und es geht weiter.
Noch gut eine Stunde dauern diese letzten 250 Höhenmeter. Wir sind topfit. Tjalf geht ab wie eine Rakete. Ab und an werde ich schon emotional. Ein Gipfelerlebnis ist immer wieder toll. Gwenny schluchzt auch ab und an. Die Sonne bricht durch die Wolken und wir sehen den wichtigen goldenen Streifen am Horizont.
Auf dem Uhuru Peak
Um 6:30 Uhr stehen wir auf dem Uhuru Peak. Wir fallen uns in die Arme und feiern erschöpft unser Glück. Ich fühle mich auch platt. Weniger wegen der Höhe, sondern eher wegen meines schnellen und kraftvollen Anstiegs zum Gilmans Point. Wir stehen auf dem höchsten Punkt Afrikas. Tjalf nutzt die Zeit für eine innere Einkehr. Ich spaziere auf der großen Fläche auch für mich allein. Als das Schild frei wird, machen wir schnell unsere Fotos. Wahnsinn, was hier los ist. Menschen werden von den Trägern eingehakt hochgeführt. „Körperlich völlig am Ende kriegen die eh nichts mit“, denke ich. So ist das im Tourismus.
Leider ist der Krater zugeschneit, wir können nicht zum Ash Pit absteigen. Es wäre zu gefährlich. Daher nehmen wir um 7:00 Uhr den normalen Weg. Also alles zurück: Stella Point, Gilmans Point, Kibo Hut. Und der Abstieg birgt Risiken. Wir sind müde und die Euphorie ist verflogen. Das heißt auch am Kilimanjaro konzentriert zu bleiben.
Auf dem Abstieg treffen wir Hans-Urs und Nicole. Sie bewegen sich immer weiter. Ich kenne das Gefühl von Durchfall und Erbrechen am Gipfeltag. Mein Respekt gilt Nicole. Beide ziehen weiter. Wir müssen runter. Dann kommt auch Regina.
Ab dem Gilmans Point wird es schließlich nervig. Wir schlittern runter. Aufpassen, dass man nicht wegrutscht. Gegen 9 Uhr sind wir unten. Schnell geht es ins Zelt. Wir gönnen uns jetzt gute zwei Stunden Schlaf. Wir liegen unruhig. Die Erlebnisse und Emotionen müssen wir erst noch verarbeiten.
Bald schon geht es weiter. Wir verlassen das Basislager Kibo Hut und steigen runter auf 3.720m zur Horombo Hut. Dort verbringen wir die Nacht. Das sind noch 14 Kilometer. Ein ganz schön langer Weg nach so einer Nacht. Wir sind aber gut gelaunt. Der zunehmende Regen macht uns nichts.
16:00 Uhr erreichen wir unser Lager. Dort gibt es noch ein frühes Abendessen. Schnell schlafen wir ein. So tief wie in dieser Nacht haben wir die letzten Tage nicht geträumt.
Impressionen von Tag 6
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