Manaslu: Mein Tagebuch
Die Manaslu-Expedition ist meine längste Abwesenheit seit meinen Auslandseinsätzen in Afghanistan und im Kosovo. 43 Tage von Abflug in München bis zur Abreise aus Kathmandu bin ich mit der Agentur Satori unterwegs.
In diesem Tagebuch erzähle ich von meinen Empfindungen und Gedanken rund um die Besteigung des Manaslu. Ich schreibe offen und ehrlich, um Dich als Leser teilhaben zu lassen.
Wenn Du Fragen oder Anregungen hast, freue ich mich über Deine Kommentare am Ende dieser langen Seite.
30.08.2022 – Anreise nach Nepal
Die Anreise startet fast unkompliziert. Bis zur Mitte zwischen Istanbul und Kathmandu.
Rückflug nach Istanbul
Hier dreht unser Flugzeug nach 2,5 Stunden mit technischen Problemen um. Da ich schlafe, bekomme ich das erst bei der erneuten Landung in Istanbul mit und reibe mir im wahrsten Sinne des Wortes verwundert die Augen. Irgendwann erhalten wir ein Ersatzflugzeug mit Ersatzcrew und es geht nochmal nach Nepal. Allerdings erhalten wir nur kleine Snacks zu essen. Das wurde offenbar vergessen.
Hungrig in Kathmandu
Somit komme ich hungrig erst am Nachmittag statt am frühen Morgen an. Aber der Tag in Kathmandu ist trotzdem lang genug, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Wie im letzten Jahr bin ich wieder im Bamboo Garden untergebracht. Ein Hotel im lebhaften Stadtteil Thamel.
Heute prüft unser leitender Sherpa unsere Ausrüstung. Ich habe zunächst alles, was ich brauche. Ich soll sogar das Eisgerät zurücklassen. Dabei wollte ich damit im Zweifel an den anderen vorbeiklettern.
Ein starker Sherpa-Chef
Unser Chef-Sherpa Mingma war schon zehn Mal auf dem Everest und sechs Mal auf dem Manaslu. Erfahrung hat er also. Und er soll stark sein. Andere Gruppenmitglieder kennen ihn schon.
Eine böse Überraschung
Und dann kommt eine böse Überraschung: Rishi von Satori hatte nicht verstanden, dass ich mit Ski vom Manaslu abfahren will. Daher hat er sich auch nicht um die Lizenz gekümmert. Jetzt erzählt er etwas von Kosten zwischen 1.500 und 3.500 Euro.
Das ist eine Menge Geld. „Ist es mir das Wert?“, frage ich mich. Aber bald stellt sich heraus, dass es doch nur 700 Euro sind. Dafür mache ich es!
Ich schlafe wie ein Stein ein. Morgen wird es hektisch.
01.09.2022 – Erledigungen in Kathmandu
Der zweite Tag in Kathmandu nähert sich dem Ende. Alles Notwendige ist erledigt. Lizenz, Kauf noch fehlendes Material, Infos. Rishi hat mit seinem Team alles perfekt organisiert. Viele Expeditionen zum Manaslu sprechen für sich.
Glückstag: Skistiefel-Gamaschen
Für mich war es ein Glückstag. Ich konnte Übergamaschen für die Skistiefel organisieren. Nur 20 Dollar. Ein Schnapper für die Erhöhung meiner Sicherheit. Vor der Kälte hatte ich nämlich am meisten Angst. Dazu gönne ich mir sündhaft teure Daunensocken von Rab. Damit sollte ich auch in Skistiefeln zum Gipfel des Manaslu gehen können.
Interkulturelle Pizza
Abends treffe ich mich noch auf eine Pizza im Fire and Ice (DEM internationalen Restaurant) mit Melina aus Rishis Agentur. Sie ist witzig und erzählt mir viel über ihr Land und ihre Kultur. Ich stelle immer viele, auch persönliche, Fragen.
Danach geht es zum Packen. Müde falle ich gegen 22.30 Uhr ins Bett.
02.09.2022 – Bus- und Jeep-Reise
Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker. Jetzt geht es los. Zwei Dufflebags, Tagesrucksack und Ski werden verladen. Das Material unserer sechsköpfigen Gruppe füllt den Bus.
Die Gruppendynamik startet
Apropos Gruppe: Jetzt beginnen die gruppendynamischen Prozesse. Anders als im letzten Jahr als ich nur mit Jost unterwegs war. Man unterhält sich auf einer rationalen Ebene, kommt sich aber nur wenig näher. Ich beobachte viel und fühle mich noch nicht wohl.
Dieses Gruppendasein als Tourist hinterherzulaufen widerstrebt mir nicht einmal im tiefsten Innersten. Ich will nicht ständig warten und nur Rädchen sein. Die Touren mit Jost und anderen Partnern haben mir gezeigt, worauf es ankommt.
Aber ich darf nicht vergessen: Diese Manaslu-Expedition soll ein Test mit Netz und doppeltem Boden sein. Ich will unter „sicheren Bedingungen“ sehen, wie ich auch 8000 m funktioniere und im besten Fall Spaß bei der Skiabfahrt habe.
Ewige Bus- und Jeepfahrt
Mit den Gedanken sitze ich im Bus. Unsere Fahrt soll eigentlich gute acht Stunden dauern, aber die Straße ist viel schlechter als noch zehn Monate zuvor. Damals ging es mit Anup über die gleiche Strecke zum Purbung. Jetzt halten wir nach 14 Stunden Fahrt und biegen morgen wandernd rechts ab.
Heute frage ich, wer Lust hat, Schach zu spielen. Alle winken ab. Was eine Gruppe!
Mal schauen, was der Tag morgen bringt. Noch bin ich nicht begeistert.
03.09.2022 – 1. Wandertag
Die Nacht in dem Hostel in Dharapani war mal wieder gewöhnungsbedürftig. Immer, wenn ich aus der Zivilisation starte, dauert es, bis ich mich den Gegebenheiten öffne. Ich gebe zu: Ich ekle mich sogar vor der fehlenden Hygiene und dem Essen. Aber in zwei Tagen wird es mir egal sein. Dann lebe ich in der Lage und beginne es zu genießen.
Das Abenteuer Manaslu beginnt
Heute starten wir um 8.30 Uhr Richtung Karche. Die Wanderung führt uns auf matschigen Wegen entlang reißender Flüsse und durch grüne Wälder. Der Himmel ist bewölkt, aber es bleibt bis kurz vor unserer Nachtunterkunft trocken.
Ich trage heute erstmalig die Ski an meinem Rucksack. Beim Einrichten stelle ich mit Entsetzen fest, dass der Belag beschädigt ist. Beim Transport haben sich die Klettbänder gelöst und die Ski aneinander gerieben. Ich hoffe, das macht meiner potenziellen Abfahrt nichts. Der Skirucksack ist schwer. Ich sehe es als Training an.
Lange Tour nach Karche
Nach 15 Kilometern, 1000 Höhenmetern und 4 Stunden kommen wir in Karche auf 2.700 m an. Diese Lodge ist Premium. Sauber und offenbar gut geführt. Heute bekomme ich ein Einzelzimmer. Das Schnarchen meiner gestrigen Zimmerpartnerin hat für einen unruhigen Schlaf gesorgt. Damit ist diese Nacht gerettet.
Die Stimmung ist weiterhin ok aus meiner Sicht. Durch die Bewegung wurde die Stimmung nach vier Tagen faulem Rumhängen besser. Hoffentlich setzt sich das fort.
04.09.2022 – 2. Wandertag
Der Wecker klingelt um 6.30 Uhr. Heute geht es auf 3.720 m nach Bimtang. So hoch wie die Berge meiner Tiroler Wahlheimat. Los geht es bei bestem Wetter um 8.00 Uhr. Der Weg ist schlammig und setzt sich von gestern fort.
Dschungel am Manaslu
Aber die Landschaft wird interessanter. Etwas Dschungelgefühl stellt sich ein. Wir wandern etwas langsamer als gestern, anstrengend ist es schon. Besonders die Ski verheddern sich ab und an in den tief hängenden Baumkronen.
Ski als Attraktion
Aber ich bin auch die Attraktion. So oft sehen die Menschen hier keine Ski. Aber auch Touristen auf dem Manaslu-Trail wollen sich mit mir fotografieren lassen. So bleibt der Weg wenigstens für alle Seiten unterhaltsam.
Aber das war es heute auch schon. Der Tag endet mit Ausruhen. Heute waren es rund 11,5 km, 3:42 Stunden und rund 1000 Höhenmeter im Anstieg und 200 Höhenmeter im Abstieg. Das reicht auch.
05.09.2022 – 3. Wandertag
Das Ziel des Tages ist Larche. Mit 4.215 m immer noch niedriger als die Tour mit Jost und Jenni zum Dent Blanche. Aber trotzdem wird es ein hartes Stück Arbeit.
Ski und Laptop zerren
Die Ski zerren auf Dauer ganz schön an mir. Aber das ist ja nicht alles. Der Laptop ist auch dabei. Und so komme ich schnell mit dem Rest auf 10 Kilogramm. Eine Menge für den Zustieg. Hoffentlich brauche ich dann auch beides, denke ich wiederholt.
Aber der Weg ist kurz. Es sind nur 500 Höhenmeter in gut zwei Stunden. Ich gehe bewusst langsam, um mich mit dem schweren Gepäck zu akklimatisieren.
Während wir beim Frühstück als Gruppe ziemlich kommunikativ waren, bauen wir wieder ab. Wir haben uns nicht so viel zu erzählen. Die Gruppe hat sich noch nicht gefunden.
Ski abfahren: Ja oder nein?
Daher komme ich immer ins Grübeln. War es richtig, so einen Wahnsinn zu versuchen? Auf Ski von einem 8.000er abzufahren? Ich zweifle wiederholt an dem Vorhaben.
Als dann beim Mittagessen das Gespräch auf Erfrierungen kommt, wird mir mulmig. Will ich für so etwas einen Teil meines Körpers verlieren? Ich weiß nicht, was in einigen Wochen passieren wird. Aber diese Gedanken werden mich noch eine ganze Weile begleiten.
Nach dem Mittagessen gibt es noch eine kleine Akklimatisierungsrunde. Ich erreiche ohne Rucksack und ohne Probleme 4.600 m. Das ist gut. Aber im Anschluss muss ich mich mit Kopfschmerzen hinlegen. So ist das halt.
Alpinisten beim Abendessen
Das Abendessen bietet dasselbe wie jeden Tag: Gebratener Reis mit Ei. Spannend ist für mich diesmal eine Gruppe älterer französischer Alpinisten. Der Austausch mit der Gruppe ist super. Einer ist schon mit Ski von über 7000 m abgefahren. Ich sauge alles an Infos. Wärmeschutz, Z-Wert, Schneeverhältnisse, Technik.
Meine Sicherheit und Unsicherheit wachsen. Einerseits liege ich mit einigen Annahmen richtig. Andererseits zweifle ich daran, ob es wirklich eine gute Idee ist, vom Manaslu mit Ski abzufahren.
Müde schleiche ich mit Kopfschmerzen ins Bett. Meine Werte sind auch nicht gut. Morgen wird ein langer Tag. Wir gehen über den Larke-Pass (5.106 m) Richtung Manaslu.
06.09.2022 – 4. Wandertag
Was denkt sich unser Sherpa Mingma nur? 5:00 Uhr klingelt der Wecker und um 5:30 Uhr sollen wir bereits Frühstücken. Dabei ist mir noch immer schlecht von der gestrigen Akklimatisierung. Mühsam würde ich ein paar Bissen herunter.
Dann warten rund 7 Stunden wandern mit dem Höhepunkt Larke-Pass auf 5.106 m auf uns.
Im Schneckentempo zum Larke-Pass
Ich gehe wie eine Schnecke, der Puls muss möglichst tief bleiben. Aber je höher wir kommen, desto schwieriger wird das Unterfangen. Irgendwann bin ich Letzter, begleitet von unserem zweiten Führer. Unsere 6er-Gruppe zieht sich weit auseinander.
Irgendwann hole ich auf, die anderen merken, dass sie in der Höhe auch ruhiger gehen sollten. Nach rund 2:45 Stunden sind wir am höchsten Punkt. Kurz die üblichen Fotos und es geht runter.
Quälender Hatscher
Jetzt beginnt der Abstieg zu unserer nächsten Station Samdo. Dort wollen wir uns auf 3.900 m wieder erholen. Aber das zieht sich. Lange bleiben wir auf 4.900 m. Höher als der höchste Berg der Alpen, dem Mont Blanc. Die Strecke beträgt rund 19 Kilometer.
Bei mir nehmen unterdessen Übelkeit und Magenprobleme zu.
Dreist und kotzübel
Irgendwann erreichen wir eine Zwischenstation, bei der wir aus Schnelligkeitsgründen alle das gleiche bestellen, weil sonst die kleine Küche überfordert ist.
Aber es gibt eine Person in der Gruppe, die nach Extra-Tomatensuppe fragt. Sie ist mir schon mehrfach durch so ein Verhalten aufgefallen. Meine Bewertung schwankt zwischen unverschämt und gedankenlos.
Aber solche habe ich schon öfter auf Touren erlebt. Wer mehr wissen möchte, kann gerne eine PM schreiben.
Nach einer Stunde kommt der Reis. Ich will nicht, muss aber essen. Den halben Teller kriege ich runter. Mir ist kotzübel.
Danach geht weiter. Nur noch gut zwei Stunden mit Gegenanstiegen.
Der erste Blick auf den Manaslu
Zwischendurch können wir den ersten Blick auf den Manaslu werfen. Wir sehen Camp 1 und Camp 4. Eine hohe Wand, aber ab Camp 4 sieht es fast aus wie ein einfacher Skitourenberg im Lechtal. Wenn da nicht nur die 8.000 Meter wären!
Mit jedem verlorenen Höhenmeter kommt die Energie zurück. Ich freue mich auf die „Wärme“ auf 3.900 m. Und ich bekomme Hunger. Ein gutes Zeichen für die kommenden Tage.
Das Internet zerstört das Abenteuer
Die Ankunft in Samdo wird etwas getrübt. Es gibt unbegrenztes Internet für 500 Rupien. Die Folge ist klar: Alle starren auf ihre kleinen Bildschirme, niemand spricht und in dieser Gruppe habe ich bisher noch keinen Schachpartner gefunden. Dafür habe ich zwei andere Gegner aus dem Motel gefunden. Und das war ein Spaß. Schade um diese neue Zeit.
Denn die Abgeschiedenheit und der Austausch mit anderen wird abrupt beendet, sobald Whatsapp, Instagram, Facebook etc. verfügbar sind. Aber dabei war das der Kern meiner Bedürfnisse für eine Expedition. Ich bin auch hier, um Abstand von den Problemen der Welt zu gewinnen. Das Abenteuer beinhaltet auch eine gewisse Konzentration auf das Wesentliche, auf das Reale, auf den Fokus vor Ort.
Allerdings werde auch ich nicht dagegen ankommen, im Basecamp das Internet zu nutzen. Natürlich habe ich wie alle eine Ausrede. Ich benötige ein paar Infos von Lukas zu meinen Ski.
07.09.2022 – 5. Wandertag
Die Nacht war unruhig, mein Schlafsack viel zu warm. Es ist der, der mich bis auf 7.400 m in das Camp 4 begleiten wird. Daher bin ich immer wieder aufgewacht und fühle mich trotz zehn Stunden Schlaf wie gerädert.
Morgenroutine auf 3.900 m
Trotzdem mache ich mein Morgen-„Workout“ mit Planking, Liegestütz und ein paar Übungen mit dem Theraband. Gestern war ich dazu nicht in der Lage. Ich glaube, dass mir der Erhalt der Muskulatur auf jeden Fall später helfen wird. Dazu kommen ein paar Dehnübungen. In der Höhe fallen die schwer, aber hier fühlt sich das fast normal an. Auch wenn der Boden dreckig wirkt.
In nur gut zwei Stunden erreichen wir Samagaun. Eine etwas größere Ortschaft auf rund 3.600 m. Der Weg führt abwärts entlang reißender Flüsse. Erstmals sehen wir das Basislager. In zwei Tagen geht es da hin.
Luxus in Samagaun
Angekommen in Samagaun beziehen wir unsere Zimmer. Ausgestattet mit einer Kaltwasser-Dusche und einer richtigen Toilettenschüssel im Zimmer sprechen wir von Luxus. Je tiefer man kommt, desto zivilisierter werden unsere Unterkünfte.
Ab jetzt ruhen wir uns zwei Tage aus, um die Kräfte für das Manaslu-Basislager und die danach folgenden Anstrengungen zu sammeln.
Vor dem Mittagessen werde ich mutig und riskieren die eiskalte Dusche. Sie ist so kalt dass mein Kopf schmerzt. Aber ich fühle mich danach fast wieder wie ein Mensch. Was Kleinigkeiten einem bedeuten können. Es herrscht reges Treiben in der Gruppe.
Anstrengende Handwäsche
Viele Kleinigkeiten sind zu erledigen. Dazu zählt es, die eigene Wäsche mit Seife am Brunnen zu waschen. Jeder hat seine eigene Technik, aber anstrengend bleibt es. Ein Chapeau geht Richtung der Frauen und Männer, die diesen Job vor 150 Jahren ausübten.
Der Tag tröpfelt so vor sich hin. Ich lese und schreibe ein paar Mails, die ich im Basislager versenden werde. Der Preis für 10 GB beträgt dort 75 US-$. Wichtige Emails natürlich. Sonst hätte ich ja gar keine Ausrede… (s. oben)
08.09.2022 – 6. Wandertag
Lautes Helikopter-Knattern lässt mich aufschrecken. Jetzt geht es offenbar los. Viele Klienten verzichten auf den mühsamen Weg nach Samagaun und fliegen direkt ein.
Sie verpassen damit einen wichtigen Teil der Akklimatisierung für den Manaslu.
Die Expeditionsmaschinerie läuft an
Insbesondere das Nims-Team macht davon Gebrauch. Wir werden den berühmten „Bergsteiger“ im Basislager hören und sehen.
Insgesamt läuft die Maschinerie an. Unser Koch hat sich bereits vorgestellt. Maultier-Herden ziehen an unserem Hotel vorbei und bringen ihre schwere Last zum Basislager. Drei Wochen müssen 350 Touristen und ihre einheimischen Begleiter verpflegt werden.
Ein neuer Zimmerpartner
Für uns bleibt der Tag ganz ruhig. Heute bekomme ich einen Zimmerpartner. Ein Inder fliegt ein. Ich bin gespannt, ob er bergsteigerisches Know-how mitbringt. Und er bringt etwas alpinistisches Verständnis mit. Aber auch Höhenerfahrung, da er schon auf dem Everest war und an der Annapurna einen Versuch hatte.
Beim Nachdenken über das Basislager stelle ich wiederholt fest, was mir alles an Material fehlt oder was ich hätte gebrauchen können. Ich habe das Gefühl, jeder im Team ist besser ausgerüstet.
Mir war nicht bewusst, dass uns so viel Tragearbeit abgenommen wird. Aber wieder was gelernt. Aber vielleicht geht es allen so.
Eine buddhistische Zeremonie
Am Abend besuchen wir eine buddhistische Zeremonie im Tempel. Eine Stunde im Schneidersitz lockert die Hüfte. Während die höchsten Lama oberhalb der Menschen sitzen, halten die Frauen die Zeremonie ab. Gesänge, gregorianischen Chorälen und Madrigalen ähnelnd, erfüllen den Raum.
50 bis 60 Frauen singen, trommeln und nutzen eine kleine Glocke, um ihrer Gottheit zu dienen. Aber selbst ein Sherpa, den ich frage, kann mir weder den Text übersetzen noch den Kontext erklären.
Aber es wirkt wie Weihnachten oder Ostern in christlichen Kirchen, wenn das gesamte Dorf zusammen kommt und zur Messe geht. Das gesamte Ambiente erinnert mich daran.
Auch haben wir Anlässe, in denen lange Litaneien gesungen werden. So ziehen meine Gedanken dahin, während ich mich dem betörenden Beten hingebe.
Danach gibt es ein kurzes Abendessen und morgen geht es endlich richtig los.
09.09.2022 – 8. Wandertag zum Basislager
Heute ist der finale Tag des Zustiegs zum Manaslu-Basislager auf 4.700 m. „Endlich!“, rufen Kopf und Herz.
Motiviert am Morgen
Endlich springe ich mal wieder motiviert aus dem Bett. Es gibt ein motivierendes Ziel. Das Packen der Sachen geht besser von der Hand, das Frühstück schmeckt besser und besser ist die Laune der gesamten Gruppe. Nur das Wetter spielt nicht mit.
Wir wandern locker los, ich fühle mich stark wie nie. Das liegt auch daran, dass ich mich in dieser Gruppe nicht mehr zurückhalten will.
Es kostet mich zu viel Energie, ihnen geduldig bei ihren bergsteigerischen Geschichten zuzuhören, wie sie den 7.000er da oder den 8.000er hier mit Steigklemme bestiegen haben, jeden Sherpa benennen können und ein Foto mit Nims gemacht haben.
Kein Verständnis für Alpinismus
Keiner versteht, was Alpinismus ausmacht. Ich habe versucht mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Aber diese Versuche führen ins nichts. Brav habe ich mitgehört, um Teil zu werden. Das will ich nicht mehr. Ich mache jetzt mein eigenes Ding und hoffe Menschen im Basislager zu finden, mit denen ich über Alpinismus sprechen kann.
Aber darf ich mir diese Gedanken erlauben? Ich bin Teil dieser Maschinerie und nutze es, um mir in einem möglichst sicheren Umfeld, Erfahrungen anzueignen und doch etwas Besonderes zu machen. Aber: Bin ich überhaupt ein Alpinist, wenn ich hier bin?
Ich beantworte meine Frage mit „Ja“. Weil ich ein anderes Denken habe und meine Fähigkeiten sich von den anderen unterscheiden. Zwar werde ich nicht mehr ein hohes Niveau als Alpinist erreichen, werde aber in allen Spielarten besser werden.
Und meine Neugier, individuell alpinistische Projekte umzusetzen, wächst mit meinen Fähigkeiten weiter. Es ist klug, diese mit Netz und doppeltem Boden zu erweitern.
Freudiges Wiedersehen mit Anup
Irgendwann treffen wir eine Gruppe Sherpas mit Teekanne und Keksen. Ich grüße und ignoriere sie erst. Dann fällt der Name Anup. Ich drehe mich um, und siehe an, Anup von unserer Erstbesteigung ist dabei. Er sieht älter und schmaler im Gesicht aus. Freudig fallen wir uns um den Hals.
Es ist schön, so eine Erinnerung an mein tollstes Bergsteiger-Projekt zu sehen. Anup war in diesem Jahr schon auf dem Everest und hat danach technisch in Indien geklettert. Schön, dass er dabei ist. Ob er mein Sherpa für den Gipfel wird?
Im Regen und Nebel erscheinen langsam die Silhouetten der Zelte. Gelb und rot leuchten sie aus der trüben Brühe, die wir nach gut 4 Stunden erreichen. Wir schreiten durch das riesige Areal. Meine Uhr bleibt bei 4.823 Höhenmetern stehen. Das kann hinkommen.
Fast am Ende hängt ein riesiges Schild „Satori Adventures, Manaslu-Expedition, Autumn 2022“. Das ist unsere Zeltstadt in der Zeltstadt. Ungläubig betrete ich das mir zugewiesene Zelt.
Es ist riesig.
Ich kann aufrecht darin stehen, eine hohe Matratze und Teppiche liegen auf dem Boden, das Vorzelt bietet Platz für alle Schuhe und Stiefel. Es liegt sogar eine Fußmatte aus.
Aber der Lacher kommt zum Schluss: Es gibt einen Mehrfachstecker für den Strom und eine Glühbirne an der Decke. Mir fällt bei diesem Komfort alles aus dem Gesicht. Aber ich nehme es, da es meine Chancen erhöht, Erfahrungen für die Zukunft zu sammeln.
Schnell richte ich mich ein. Alles ist in den Dufflebags angekommen. Eine Ecke für die Ausrüstung bei den Hochlagern, die andere für den Gebrauch im Basislager.
Internet im Manaslu-Basislager
Dann kommt der wichtigste Teil, der Internet-Mann. Alle stürzen sich auf ihn. Ich auch. Widerstand ist zwecklos. Wir handeln ihn runter und zahlen schließlich 120 Dollar für unlimitierten Zugriff.
Verrückte Welt, mein Stolz ist dahin. Alle starren auf ihre kleinen Bildschirme, auch ich freue mich über Nachrichten von zuhause.
Gamaschen-Vorbereitung
Aber ich habe noch etwas zu tun: Ich muss die Gamaschen meiner Skistiefel präparieren. Vorne und hinten gehören Löcher rein, damit ich in die Bindung komme. Eibe mühselige Arbeit mit einer Fingernagelschere. Aber beim Test funktioniert es. Die Bindung nimmt den Ski auch mit Gamasche an. Hoffentlich hält das.
Dann passiert nicht mehr viel. Ab ins komfortable Zelt und eine ruhige Nacht nur von Pinkelpausen unterbrochen wartet auf mich.
10.09.2022 – Ruhetag im Manaslu-Basislager
Ruhig wie die Nacht startet der Tag. Ein wilder Traum hat mich verfolgt und das Aufwachen in dem riesigen Zelt verwundert und wirkt unwirklich. Ist das der Expeditionsstil?
Verhungern im Basislager unmöglich
Na gut, lasse ich mich darauf ein. Das Essen hier oben ist besser als in jeder Lodge, in der ich bisher in Nepal zu Gast war. Der Tisch steht voller süßer und salziger Snacks, das Essen um 8 Uhr, 13 Uhr und 18:30 Uhr ist mehr als reichlich. Selbst eine Schokocreme steht auf dem Tisch. Unglaublich, was hier aufgefahren wird.
Die Stimmung wird auch insgesamt besser, hier umgeben von den schneebedeckten Bergen. Der Blick fällt immer wieder auf den markanten Ostgipfel des Manaslu.
Demo im Basislager
Heute steht eine kurze Demonstration der Jumar-Nutzung an und ich werde auserkoren, es auszuprobieren. Ein bisschen muss ich schmunzeln, wie ein Anfänger behandelt zu werden und mir die Mastwürfe machen zu lassen. Aber ok, ich reihe mich ein.
Keine Skiabfahrer?
Im Anschluss mache ich mich auf die Suche nach Skiabfahrern. Aber in den gefragten Agenturen findet sich bisher niemand. Soll ich wirklich der Einzige sein? Das wäre witzig und gruselig zu gleich. Gerne würde ich mich mit anderen austauschen.
Danach die übliche Prozedur: Drei-Gänge-Abendessen um 18:30 Uhr. Müde Gespräche und ab ins Bett (den Schlafsack!).
11.09.2022 – Erstmals Richtung Lager 1
Wie immer ein reichhaltiges und individuelles Frühstück. Mir geht es blendend.
Heute bewegen wir uns erstmals auf dem Gletscher Richtung Lager 1. Das Camp 1 l7egt auf 5.500 m. Wir wollen es nicht ganz erreichen. Die Steigeisen werden – wie die Name schon sagt – am Crampon Point angelegt. Der Zustieg bis dahin dauert schon ca. eine Stunde und ist recht steil und führt durch das halbe Basislager.
Nimsdai persönlich
An einem Punkt stehen die Zelte des 14-Peaks-Helden Nims. „Achieve your own Possible“ steht auf den Zeltdächern. Ich frage einen der Führer am Platz, ob in dieser Gruppe Skifahrer seien.
Er ist freundlich und bestätigt meine Frage. Morgen werde ich vorbeischauen, sage ich ihm und gehe weiter. Als ich mich umdrehe, machen Leute Selfies mit ihm. Offenbar habe ich Nimsdai persönlich gefragt, lächle ich. Und weiter geht es.
Endlich mit Steigeisen unterwegs
Mit Steigeisen auf dem Schnee ist ein gutes Gefühl. Das liebe ich. Wir schlängeln uns durch den Gletscher und machen nur wenige Höhenmeter. Das dauert entlang der Gletscherspalten zu gehen. Aber der Gletscher wirkt sicherer als der Gran Paradiso, den ich zuletzt mit Jost bestiegen habe.
Ich bin erschöpft, meine Snacks helfen mir diesmal weiter. Nach gut 3 Stunden erreichen wir als Dreiergruppe 5.400 m. Der Rest von uns bleibt auf 5.300 m.
Das Lager 1 haben wir im Blick. Es ist gut zu erreichen. Beim Lager 2 gibt es allerdings Schwierigkeiten: Es schneit zu viel. Daher konnten unsere Sherpas auch noch keine Vorbereitungen vor Ort treffen.
Unglaublich viele Sherpa, Träger und Touristen sind auf dem Gletscher. Was eine logistische Leistung der Agenturen. Aber auch das Gegenteil von dem, was ich letztes Jahr in der Einsamkeit der Erstbesteigung erfahren durfte.
Wir gehen nach gut 30 Minuten wieder runter. Dabei überholen wir viele andere Gruppen. Wir sind offenbar gut in Form.
Mal wieder höhenkrank
Allerdings stellen sich dann Kopfschmerzen und Müdigkeit ein. Mein Appetit vergeht. Ein klares Anzeichen von Höhenkrankheit. Daher lege ich mich nach dem Essen direkt hin und stehe vier Stunden nicht auf. Am Ende des Tages geht es mir wieder gut.
Aber dieses Gruppenleben bleibt weiterhin nicht meins. Ich versuche mich an den Gesprächen zu beteiligen. Aber ob Simone Moro einen gelben, blauen oder roten Helikopter fliegt, ist mir ziemlich egal.
Die einzige Info, die an diesem Abend wichtig ist, wie die Rotation ablaufen wird. Vier Nächte werden wir je nach Wetter zwischen Camp 1, 2 und 3 verbringen. Ich lasse mich überraschen. Mitdenken ist hier nicht erforderlich.
12.09.2022 – Puja-Zeremonie im Manaslu-Basislager
Heute findet eine wichtige Veranstaltung statt. Es herrscht reges Treiben in unserem Lager.
Puja als Tagesaufgabe
Die Sherpa arbeiten den ganzen Vormittag, um einen Altar aus Steinen zu errichten, ihn zu schmücken und Gaben für die Götter vorzubereiten. Sobald die Lamas erscheinen, geht die gut zweistündige Puja-Zeremonie los. Die beiden Priester musizieren und singen von schmalen Karten ihre unverständlichen Verse. Die Schrifthervorhebungen erinnern mich an unsere katholischen Lesungsbücher.
Auch dass die Lamas für die Zeremonie 2.000 Rupien, rund 15 Euro, von jedem Teilnehmer verlangen. Religion bleibt Religion. Aber es ist lebhafter und es gibt im Anschluss mit Weihwasser gesegnete Süßigkeiten, Bier, Cola und Schnaps. Auch wurde die Ausrüstung gesegnet. Danach geht die religiöse Feier direkt in Tanzen mir indischer Musik über. So vergeht der Tag und die Gruppe ist doch enger zusammen gewachsen.
Bessere Stimmung
Es wird auch für mich besser, wenn ich den Gipfel(erfolg) mehr in den Hintergrund stelle und die Reise betrachte. Mir wird auch klarer, wie wichtig die gesunde Rückkehr für mich ist. Zwar geht es hier um einen 8000er. Aber das wahre Abenteuer liegt doch zuhause.
Lumdo vs. Ludo
Vormittags haben wir auf dem Handy Ludo gespielt. Es ist eine indische Version von „Mensch ärgere Dich nicht“. Macht Spaß und ich verliere wie die letzten Male noch in Reutte. Nicht mein Talent. Nach unserer Puja-Zeremonie sitzen wir beim Essen und ich will noch eine Runde spielen und frage: „Wollen wir noch eine Runde Lumdo spielen?“
Unseren Hindi-sprachigen Teammitgliedern und dem anwesenden Koch fällt alles aus dem Gesicht. Dann lachen sie laut auf. Lumdo heißt nämlich Penis oder Schwanz. Na gut, ich war nah dran. Und habe für Erheiterung gesorgt. Im Anschluss haben wir eine Runde Ludo gespielt.
Am Abend bekommen wir Besuch von einem berühmten Sherpa – den ich nicht kenne. Alle sind begeistert, als sein Besuch angekündigt wurde und er das Zelt betritt. Ich stehe vorne und er gibt mir freundlich die Hand.
Er trägt eine Nimsdai-Cap und ist offenbar einer der Sherpas, die die erste K2-Winterbesteigung gemacht haben. Wir stellen ihm ein paar Fragen, die er weniger als einsilbig beantwortet. Aber irgendwie witzig, wie hier Netzwerke aufgebaut werden sollen. Am Ende der Runde weiß ich noch immer nicht, wer das ist.
13.09.2022 – Beginn der Rotation
Nach einem Tag der bequemen Ruhe und des Faulenzens beginnt heute das Leiden. Kopfschmerzen und Durchfall erwarten mich für fünf Tage und vier Nächte.
Schwerer Rucksack
Der Rucksack ist schwer wie nie. (Fast) alles muss mit. Daunenschlafsack, Daunenjacke, Ski, Skistiefel, Helm, zwei Liter Wasser, Snacks, Wechselbekleidung, Powerbank. Die Sherpa helfen mir, den Rucksack aufzunehmen.
Zum Glück ziehe ich die Skistiefel am Crampon Point, den wir nach gut 1:10 Stunde erreichen, an. Ich achte auf genügende Snacks und stopfe, was das Zeug hält. Und siehe an, ich fühle mich trotz schweren Gepäcks gut und stark.
Massentourismus am Manaslu
Auf dem Gletscher sind unfassbar viele Menschen. Eine Rekordsaison. Mit den Ski bleibe ich aber einzigartig. Das schmeichelt mir, wenn entgegen kommende Bergsteiger den Daumen heben.
Der Schnee ist so schön. Ich will direkt abfahren, sobald wir Lager 1 erreicht haben.
Lager 1 in 5 Stunden
Bis zum Lager 1 benötigen wir gute 5 Stunden. Es gibt dabei ein niedrigeres und ein höheres Lager. Satori hat einen Standort im oberen gewählt. Wir sind jetzt auf rund 5.700 m und verkürzt den Weg zu Lager 2.
Das Wetter schlägt leider um und die Sicht wird schlecht. Daher verzichte ich auf die geplante Abfahrt und dem erneuten Hochlaufen. Dafür fahre ich 10 Sekunden für ein Foto ab. Und das ist gut so.
Direkt zu Lager 2
Denn es gibt eine Planänderung. Wir übernachten morgen direkt in Lager 2 auf 6.200 m. Das Wetter und die Menschenmassen führen zu dieser Entscheidung von Mingma Sherpa. Das wird schmerzhaft.
Mein Zelt teile ich auch direkt mit unserem leitenden Sherpa. Gemütlich und ich sitze direkt an der Quelle aller Infos.
Um 19 Uhr wird es dunkel und ich falle mit leichten Kopfschmerzen in den Schlaf.
14.09.2022 – Ab zu Lager 2
Während ich diese Zeilen schreibe, liege ich mit heftigen Kopfschmerzen und Übelkeit auf rund 6.200 m in unserem Lager 2.
Wir sind innerhalb von 4 Stunden „nur“ 500 Meter aufgestiegen. Aber die hatten es in sich. Über Gletscherspalten mit Leitern und mit Fixseilen mussten wir hohe Steilstufen überwinden. Das Jumar zu ziehen ist ein Ganzkörper-Workout und bringt ohne Akklimatisierung die Lunge zum Platzen.
Und dann immer wieder das Warten. An den Fixseilen wird auf- und abgestiegen. Ich finde es schon etwas gruselig, wie ein paar Eisschrauben Hunderte von Menschen halten sollen. Aber ich reihe mich auch ein und sehe hilflose Frauen, die nur mit Hilfe der Sherpa über die Hindernisse kommen.
Das „Team“ existiert weiterhin nur bedingt. Es gibt einfach Menschen, mit denen man nicht warm wird. Aber es gibt auch Teilnehmer, mit denen man eine zweite Expedition starten könnte. Aber sowas kommt mir nicht in den Sinn.
Das Lager 2 erreicht, komme ich erschöpft zur Ruhe. Und schon stellen sich die Kopfschmerzen ein und bleiben bis spät in die Nacht. Nudeln und Reis würge ich mir mit Mühe runter. Mir ist so übel. Da hilft auch kein ausgiebiges Trinken. Ich bin ziemlich durch. Mal schauen, wie es mit mir weitergeht.
15.09.2022 – Risiko Lager 3
Die Nacht war furchtbar. Ich habe mich hin und her gewälzt. Immer wieder in kleinen Schlücken das Wasser getrunken.
Eigentlich hätte es um 8 Uhr zum Lager 3 weitergehen sollen. Aber es schneit durchgehend und Mingma Sherpa entscheidet zu warten. Das ist mein Glück. Ich erhole mich zunehmend.
Ich soll in Lager 2 bleiben
Dann soll es losgehen. Unser Führer will nur Karol mitnehmen und deutet mir zu bleiben. Aber niemand kennt meinen Körper besser als ich und ich setze mich darüber hinweg und gehe mit. Anup ist diesmal auch dabei. Schön, so einen Freund an der Seite zu haben.
Nach gut 2:45 Stunden komme ich als Nachzügler im Lager 3 an. Bewusst bin ich viel langsamer als gestern gegangen. Es waren nur 350 Höhenmeter. Aber anstrengend in der Höhe. Das Jumar hält nicht in den vereisten Fixseilen. Ich baue mir mit dem Prusik eine Steighilfe. So geht es.
Oben werden die Zelte gerade aufgebaut und es gibt schon Tee. Mir geht es blendend. Langsam zu gehen, hat sich ausgezahlt.
3er-Zelte in Lager 3
Aber Lager 3 werden es 3er- statt 2er-Zelte. Karol, Dean und ich kuscheln uns zu dritt zusammen. Wir wollen hier übernachten, wir müssen hier übernachten, da wir drei ohne zusätzlichen Sauerstoff auf den Gipfel wollen.
Trotz der Höhe bleibt die Versorgung gut. Abends gibt es Gemüsesuppe und weißen Reis. Letzteres lässt uns allerdings lange kauen.
Meine Kopfschmerzen halten sich im Rahmen. Unser größtes Problem ist der andauernde Schneefall. Wir können derzeit nicht höher steigen. Die Risiken sind zu groß.
16.09.2022 – Abstieg zum Basislager
Zwei Stunden Schlaf. Mehr gab es in dieser Nacht in Lager 3 nicht. Von 19 Uhr bis 6 Uhr wälze ich mich im Schlafsack. Mein Körper arbeitet in der Höhe.
Da ich viel trinke, um den Nebenwirkungen der Akklimatisierung zu begegnen, muss ich meine Pee Bottle mehrfach leeren. Dean ist wenig davon begeistert. Irgendwann werden bei ihm die Kopfschmerzen zu stark und er verlässt uns Richtung Lager 2.
Wir bleiben bis 7 Uhr und steigen dann auch ab. Ich bin gerädert uns hungrig. Meine Hände frieren ein, als ich die Steigeisen anlege. Es ist schon ziemlich kalt auf 6.550 m. Immerhin höher als der Purbung.
Der Abstieg in Lager 2 ist wenig aufregend. Wir sind in 30 Minuten unten.
Abseilen offenbar schwierig
Spannend und langwierig wird der Abstieg in Lager 1. Das Abseilen ist offenbar für viele anspruchsvoll. Die Sherpa müssen den in der Regel Freuen beim Anlegen des Achters Hilfe leisten. Manchmal bleiben die Touristinnen auch hängen und kommen nur langsam runter. Es bilden sich lange Schlangen, wie man es von den epischen Bildern am Everest kennt.
Zum Glück ist es warm und windstill. Wenn ich mir vorstelle, wie wir hier bei Kälte und Wind warten müssten, um runterzukommen!
Mit vielen Verzögerungen kommen wir schließlich in Lager 1 an. Dort hinterlassen wir alles, was wir für den Gipfel benötigen und wandern über den Gletscher ab. Hier sind es wiederholt Frauen, die den Abstieg verlangsamen und/oder in eine Gletscherspalte stolpern und nur mit Sherpa-Hilfe wieder rauskommen.
Vorgestern kam eine Marokkanerin nach 10 Stunden in Lager 1 an. Die Regel sind um die 5 Stunden. Damit erhöht sie nicht nur das Risiko für sich, sondern auch für die Sherpas und das Team. Ich frage mich, was diese Leute antreibt. Warum bereiten sie sich körperlich nicht vor?
Irgendwann kommen wir am Crampon Point an. Dort verstauen wir unser Material in zwei abschließbaren Tonnen und steigen im strömenden Regen ab. Der wird uns nicht loslassen. Bis zum Beginn der Besteigung bleibt der Monsun.
Vier Tage heißt es nun, auszuruhen, Energiespeicher aufzufüllen und mental den Fokus zu erhöhen. Schade nur, dass wir keinen Fuß trocken vor unser Speisezelt setzen können. Bald ist es so weit, dass wir den Regen kaum noch wahrnehmen.
17.09.2022 – Nichts Neues im Manaslu-Basislager
18.09.2022 – Nichts Neues im Manaslu-Basislager
19.09.2022 – Es passiert was
Heute gibt es Neuigkeiten. Aber zunächst mache ich mich allein auf den Weg zu Lager 1 auf 5.700 m. Mir reicht das Rumsitzen, die Langeweile, das Essen.
Allein zu Lager 1
Als klar wird, dass es ein trockener Tag wird, frage ich beim Chef-Sherpa Mingma nach, ob ich losdarf. Er stimmt zu. Ausgestattet mit einem Funkgerät stapfe ich los. Nach drei Tagen ohne körperliche Betätigung fallen mir die ersten Schritte schwer. Aber nach dem Anziehen der Steigeisen und auf dem Gletscher läuft es besser.
Ich nehme Tempo auf und erreiche unsere Zelte nach 3:38 Stunden. Sie liegen unter halbmeter-tiefen Schnee.
Und unser Platz ist nicht mehr einsam. Andere Agenturen haben sich breit gemacht. Hunderte von Klienten und Sherpas bilden aktive Rudel. Viele gehen zum Lager 2. Das ist der aufwändigste Teil der gesamten Expedition.
Es geht durch ein Spaltenlabyrinth, bei dem man sich Mithilfe der Steigklemme an Fixseilen hocharbeitet. Vielen fehlt Kraft, aber auch Erfahrung. Daher bilden sich lange Schlangen, bis es weitergeht. Ich beobachte das Geschehen fasziniert und sorgenvoll von unten. Wir werden uns auch bald einreihen. Aber ich steige jetzt erstmal ab und harre der Dinge, die kommen.
Endlich ein Plan
Und dann kommt Mingma Sherpa mit dem Plan um die Ecke: In zwei Tagen geht es los. Im besten Fall stehen wir am 24. September auf dem Gipfel: 21. Lager 1, 22. Lager 3, 23. Lager 4. Das wäre verrückt, wenn es jetzt so schnell gehen sollte. Ich würde lieber noch eine Rotation machen. Aber ich bin an die Organisation angedockt. Ein furchtbares Gefühl, nicht frei zu sein. Aber ich habe es so gewollt. Sicherheit geht vor.
Zuteilung der Sherpa
Mit der Planung verbunden ist die Zuteilung der Sherpa. Diese unterstützen uns ab Lager 4. Wenig überraschend erhalte ich Anup. Ich mag ihn und kenne ihn vom letzten Jahr. Ein feiner Mensch und ein Kraftpaket. Ich freue mich auf den gemeinsamen Versuch. Andere sind nicht so zufrieden. Auf jeden Fall hat jeder einen Sherpa.
Damit geht es in den Schlafsack. Wieder ist ein Tag um, aber ein entscheidender für die Stimmung.
21.09.2022 – Kein Aufbruch zum Manaslu
Nichts wird es mit dem geplanten Aufbruch. Das Wetter macht uns einen fetten Strich durch die Rechnung. Es regnet heftig bei uns, Lager 3 und 4 sind kaum erreichbar wegen des Schnees. So warten wir hier und sitzen wieder gelangweilt im Essenszelt rum.
22.09.2022 – Wandertag zum Lager 1
Heute ziehen wir mal gemeinsam zum Lager 1 auf 5.700 m los. Ich bin bereits optimal akklimatisiert für diese Höhe. Das merke ich von den ersten Schritten an. Ich gehe schnell und kann mit den – im Gegensatz zu mir – vollgepackten Trägern mithalten. Das ging die ersten beiden Besuche im Lager 1 nicht.
Schnell auf 5.921 m
Ich verliere den Rest der Gruppe, aber will mich nicht stoppen. Schon nach 3:15 Stunden erreiche ich das Lager. Da ich mich gut fühle, wandere ich weiter. Der Weg ist einsam. Die meisten Teams sind wegen des Wetters abgestiegen. Ich steige auf.
Mit Jumar durch die Steilstufen und ohne Stau. Herrlich. Allerdings bremse ich mich. Akklimatisierung versus Kraftsparen. Eine epische Diskussion. Auf 5.921 m setze ich mich hin und genieße die Wärme, die sich zur Hitze entwickelt. Schwitzend mache ich mich auf den Rückweg.
Ein müder Tag
Der Abstieg geht so schnell. Ich hüpfe den Schnee hinunter und laufe über den Gletscher. Herrlich. In gut einer Stunde bin ich wieder im Basislager.
Den Rest des Tages werde ich müder und müder.
23.09.2022 – Geweckt von Lawinen
Früh bin ich wach. Meine Oberschenkel schmerzen von der gestrigen Tour. Ob das eine gute Idee war, so weit zu gehen? Ich hoffe, dass ich mich in den nächsten Tagen gut erholen kann. Etwas Zeit haben wir noch.
Massive Lawinen
Denn hinter meinem Zelt donnern die Lawinen herunter. Der Boden zittert, wenn Schnee und Gestein die Wände herunterstürzen. Nach dem massiven Schneefall der letzten Tage kommt die Sonne raus und erwärmt den Schnee. Die Schneeschicht ist offenbar nicht gut verbunden.
Daher sitzen wir im Manaslu-Basislager und warten ab, wann sich die Situation bessert. Allerdings ist das Wetter viel besser als die letzten Tage. Die Stimmung ist gut wie nie. Die Sherpas und wir sitzen in der Sonne, lesen und genießen den Tag.
Die Stimmung steigt
Immer wieder ist es interessant zu sehen, welche Auswirkungen Rahmenbedingungen wie das Wetter auf ein Team haben.
Aber trotzdem fühle ich mich nicht als Teil dieser Gruppe. Ich beobachte mehr und höre zu. Ich finde es unverschämt, wie sich unsere schonmal auffällige Protagonistin mit dem goldenen Armbändchen Essen selbst auf den Teller schaufelt, bevor unser Zeltdiener servieren kann.
Ich komme einfach nicht darauf klar, so eine unterzogene Gier in einer Gruppe zu haben, zu der ich gehören soll.
Aber was soll es. Ich bin hier und muss es nur noch 10+ Tage mit diesen Leuten verbringen.
24.09.2022 – Täglich grüßt das Murmeltier
Puh. Und wieder wälze ich mich aus dem Schlafsack um 7:30 Uhr. Keine Lawinen, die herunterdonnern. Dafür das gleiche Stimmengewirr wie jeden Morgen. So langsam werde ich mental mürbe.
Das ist die Kunst einer so langen Expedition, seinen Mut und seine Stimmung nicht zu verlieren. Es ähnelt meinen Auslandseinsätzen, aber da gab es zumindest inhaltlich etwas zu tun.
Und dann die Überraschung!
Morgen soll es zum Manaslu gehen. Mingma stellt den Plan vor: 25. Lager 1, 26. Lager 3, 27. Lager 4. Und am 28. geht es morgens um 3 Uhr zum Gipfel. Es gibt zwar leichten Schneefall, aber das ist immer noch besser als die dann folgenden heftigen Winde.
Jetzt haben wir zumindest eine Perspektive. Ich bin froh, jetzt zu starten. Den Tag nutze ich, um bewusst runterzukommen und zu relaxen. Ich bin aber nervös!
25.09.2022 – Erster Schritt zum Gipfel
Heute starten wir ganz entspannt. Um 9 Uhr geht es los zum Lager 1. Ich versuche ganz ruhig zu bleiben und mich auf mich zu konzentrieren.
Unterstützung für andere
Aber als ich die Russin an einer 2er-Stelle rumwackeln sehe, nehme ich ihr die Stöcke ab. Keine Ahnung, warum ich das tue. Solche Leute gehören hier einfach nicht hin. Die Frau und ihr asozial-überhebliches Verhalten machen mich wahnsinnig und kosten mich Kraft. Das ist wirklich die letzte Expeditionsgruppe, der ich mich anschließe.
Mit diesen Gedanken arbeiten wir uns stückweise hoch auf 5.700 m. Nach gut fünf Stunden erreichen wir Lager 1. Ich bin erschöpft. Das gefällt mir nicht. Hoffentlich schaffe ich es noch, etwas Kraft zu sammeln. Aber einmal stelle ich mich auf die Ski und fahre 10 Sekunden ab.
Der Rest des Tages plätschert vor sich hin. Das Highlight des Abends ist gebratener Reis mit leckerem Ketchup. Dann fallen mir gegen 19 Uhr auch schon die Augen zu.
26.09.2022 – Zweiter Schritt zum Gipfel
5:30 Uhr wecken. Schlimm wie in der allgemeinen Grundausbildung. Aber wir haben einen weiten Weg vor uns. Heute wollen wir Lager 3 erreichen. Übermorgen geht es dann zum Gipfel.
Kälteeinbruch
Wir starten in Eiseskälte. Als erstes kommen wieder die Steilstufen zu Lager 2. Mit dem Jumar arbeiten wir uns hoch. So langsam spüre ich meine Hände und Füße.
Die schwere Arbeit macht es möglich. Früh erreichen wir Lager 2. Es gab kaum Stau an den schweren Stellen. Die Sherpa haben bereits eine heiße Suppe vorbereitet. Was ein Service. Wir können uns ausruhen.
Lawine über uns
Nach einer guten Stunde geht es weiter. Anstrengend langsam schleichen wir voran. Jetzt spüren wir die Höhe und den langen Weg. Dann hören wir den lauten Abgang einer Lawine über uns. Ich stocke.
Nach einer kurzen Pause hören wir über Funk einen unserer Sherpa schreien. Es muss was Schreckliches passiert sein.
Hektik bei Mingma
Unser Chef-Sherpa Mingma funkt hektisch. Das überrascht uns, da er sonst die Ruhe selbst ist. Wir wissen nicht, ob vor und zurück. Wir setzen uns und warten. Dann die Gewissheit: Die Lawine hat unsere Sherpa unter Lager 4 erwischt. Sie soll fast bis Lager 3 gelaufen sein.
Wir steigen zurück zu Lager 2. Tränen stehen in unseren Augen. Wir alle sind verwirrt. Was bedeutet das?
Angekommen sortieren wir uns. Zunächst müssen noch Zelte aufgebaut werden. Denn eigentlich hätten wir in Lager 3 übernachtet.
Ich sitze etwas abseits als ich den Namen Anup höre. Ich frage, wie es ihm geht. Die Antwort: Er ist tot.
Anup ist tot
Bei mir bricht alles zusammen. Ich kann es nicht glauben. Tränen fließen wie Bindfäden. Im Gegensatz zu den anderen, hatte ich eine besonders enge Bindung zu meinem Sherpa. Bilder der Erstbesteigung gehen durch meinen Kopf.
Anup, wie er den Bergfluss für uns mit Steinen passierbar macht, wie er uns Cola auf 5.500 m mitbringt, wie er mit Jost und mir Schach spielt, wie er lustige Fitnessübungen macht.
Kein Ende der Tränen
Ich kann nicht aufhören zu weinen. Auch als es sehr kalt wird, kann ich im Zelt nicht aufhören. Morgen wären wir an der gleichen Stelle gewesen. Es ist zu gefährlich. Ich will runter, so schnell es geht. Das macht keinen Sinn, für so etwas zu sterben. Zuhause warten liebe Menschen auf mich.
Nur tröpfchenweise kommen Informationen. Es gibt wohl viele Verletzte.
Sherpa eilen zu Lager 3
Sherpa eilen mit Sauerstoff hoch zu Lager 3. Helikopter können aktuell nicht helfen. Die Bedingungen sind zu schlecht.
Meine Augen brennen, immer wieder kullern Tränen über meine Wangen. Was ist passiert? Alles wirkt unwirklich.
Irgendwann bessert sich das Wetter. Jetzt fliegen die Helikopter hoch und runter. Das beruhigt uns alle.
Unruhig schlafe ich ein. Der Tag war schmerzhaft und meine Entscheidung ist klar. Es geht nach Hause.
27.09.2022 – Abbrechen? Ski auf 6.600 m
Nach dem schrecklichen Tag sind unsere Sherpa weiter mit den Arbeiten in Lager 3 beschäftigt. Wir wissen nicht, wie es weitergeht.
In der Kälte des Morgens essen wir still unser Müsli. Ich habe noch meine Ski in auf 6.600 m und mache mich fertig zum Aufstieg.
Chaos in Lager 3
Mit leerem Rucksack gelingt mir das gut. In gut 1:45 Stunden bin ich schon in Lager 3. Eine gespenstische, spezielle Atmosphäre. Alles und alle wirken durcheinander.
Ich sehe meine Ski. Setze mich und beobachte die Szenerie. Trotz unseres Unglücks kommen immer weitere Bergsteiger hoch. Ein kurzes Gespräch hier, ein anderes da.
Ski-Abfahrt auf 6.600 m
Zum Glück scheint die Sonne, aber es herrscht dadurch große Lawinengefahr. Ich beschließe schnell abzufahren. Die Automatismen funktionieren wie bei jeder Skitour. Aber dann werde ich nervös.
Auch wenn die Route zu Lager 2 übersichtlich ist, gestern ist die Profi-Skibergsteigerin Hilaree Nelson auch verunglückt, trotz klarer Verhältnisse.
Ski schwer zu fahren
Ich starte mit wackeligen Knien. Der Schnee ist nass und fest. Teilweise bruchharschig. Sehr schwer zu fahren. Nach jedem Schwung muss ich in der Höhe erstmal tief durchatmen. Und kaum sitze ich auf meinem Hintern. Das Schöne: Ich bin trotzdem schneller als die Fußgänger.
Dann kommt die gefährliche Passage, an der ich die Ski tragen muss. Irgendwie lustig, dass mich viele überrascht ansehen.
Danach wird der Schnee besser. Ein paar schöne Schwünge sind drin. Aber am Ende sind es nur gut 400 Höhenmeter abzufahren. Anstrengend und gefährlich, wie ich später am Beispiel der Profi-Skibergsteigerin Hilaree Nelson erfahren sollte. Denn auch sie sei unsicher abgefahren, wie mir Bergsteiger berichten.
Mingma einsam
Im Lager 2 sitzt unser Chef-Sherpa Mingma. Einsam. Ich fahre zu ihm runter und wie sprechen erstmals persönlich. Auch er konnte die Nacht wegen Anup nicht schlafen. In 47 Expeditionen hatte er noch keinen Todesfall. Er weiß nicht, wie die Stimmung der Sherpa genau ist. Er sagt, dass er seine besten Drei verloren hat.
Er fragt mich, was ich vorhabe. Andrew und Dean würden nach Kathmandu fliegen, der Rest am Manaslu bleiben. Ich habe erstmal keine Antwort. Lasse aber zur Sicherheit meinen Daunenanzug und die Ski vor Ort. Falls wir einen dritten Versuch zum Manaslu-Gipfel starten, will ich das Gewicht nicht nochmal hochtragen.
Staufreier Abstieg
Mingma und ich steigen schnell ab. Es gibt kaum Stau an den Abseilstellen und wo es geht, machen wir den Sherpa-Stil.
Gut, wenn man mit Leuten unterwegs ist, die ihr Handwerk verstehen und öfter mal Steigeisen und Abseilgerät genutzt haben. Schlimm, was hier sonst los ist, wenn insbesondere Frauen unter Tränen nicht mehr vor- und zurückkommen.
Anups Tod kommt mir nah
Wir kommen im Basislager an. Dort sitzt der Rest des Teams. Zwei machen sich zum Abstieg fertig. Der Rest wirkt emotional abwesend. Mir geht es genauso. Anups Tod kommt mir nochmal nahe.
Die Lawine ist inzwischen medial angekommen. Ich beruhige Familie und Freunde, dass es mir gut geht. Aber auch, dass Anup mir fehlt. Als Mensch, aber auch als Begleiter zum Gipfel.
Soll ich, soll ich nicht?
Ich schwanke weiterhin. Soll ich es riskieren, soll ich einfach nur meine Ski holen? Am Ende überwiegt, dass ich es versuchen und mich testen will. Das wird meine einzige 8000er-Expedition. Den Aufwand werde ich nie wieder treiben.
Aber da ich jetzt hier und gut akklimatisiert bin, muss ich die Chance nutzen. Anup hätte nichts dagegen.
28.09.2022 – Ein neuer Plan
So langsam lassen wir alles sacken. Andrew und Dean verlassen uns heute am Morgen. Für sie endet die Manaslu-Expedition.
Ohne Ski zum Gipfel
Wir bleiben zu sechst im Basislager. Ich schwanke wiederholt zwischen dem Wollen und dem Abbruch. Eines ist für mich und für das Team sicherer: Ich werde ohne Ski gehen. Wenn schon Profis den Schnee kaum kontrollieren können, lasse ich das.
Unser Plan ist nun, am 30. zu starten. Dann soll es über Lager 1, 2, 3 und dann direkt zum Gipfel gehen. Wenn alles passt, stehen wir am 3. Oktober auf dem Gipfel.
Wenn alles passt.
Erfrierungen in Lager 3
Allerdings hören wir von Erfrierungen in Lager 3. Menschen werden ausgeflogen, soweit die Piloten mit den Helikoptern starten und landen können. Die Schneefahnen am Ostgipfel verraten mir Windgeschwindigkeiten von mindestens 60 km/h. Der Windchillfaktor ist nicht zu unterschätzen. Minus 40° C können wir am Manaslu erreichen.
Ohne zusätzlichen Sauerstoff wird es noch gefährlicher. Denn die Versorgung von Händen und Füßen wird schwieriger und es kommt schneller zu Erfrierungen.
Ohne zusätzlichen Sauerstoff
Trotzdem bleibe ich bei meinem Plan, ohne zusätzlichen Sauerstoff hochzugehen. Ich will schauen, wie mein Körper reagiert, wie meine Psyche reagiert. Es ist lächerlich, mit zusätzlichem Sauerstoff hochzugehen.
Das ist je nach Verbrauch nur eine Höhe von 6.500 bis 7.000 m. Wer sich dafür feiert, hat ein komisches Selbstbild. Und davon gibt es viele hier im Basislager.
Wir haben jetzt noch 1,5 Tage zur Erholung und die Hoffnung auf weniger Wind.
Aber ich bin ganz bei mir. Mein Ziel ist klar und das ist nicht der Gipfel.
29.09.2022 – Eine letzte Chance
Ich wache früh auf. Viele Gedanken beschäftigen mich. Morgen startet unser dritter Versuch. Ein Wahnsinn, dass man über einen Zeitraum von jetzt gut vier Wochen nur drei Versuche bekommt.
Die Stimmung im Essenszelt ist angespannt. Alle wirken nervös. Der Wind ist noch immer stark am Ostgipfel des Manaslu zu sehen.
Das Basislager leert sich
Parallel sehen wir, wie viele Teams schon packen. Trägerinnen und Maultiere verlassen das Basislager schwer beladen Richtung Samagaun. Anscheinend konnte nur ein geringer Prozentsatz den Gipfel erreichen.
Schwere Bedingungen am Manaslu
Dieses Jahr hält schwierigste Bedingungen am Manaslu bereit. Aber das Wetter kann man sich nicht aussuchen. Ich schlendere durch das Basislager und nehme diese Atmosphäre an. Mich stärkt das. Ich denke: „Jetzt erst recht!“. Ich fühle mich gut vorbereitet. Meine Akklimatisierung ist nicht optimal, aber stark genug.
Von mir aus kann es jetzt losgehen.
Motiviert gehe ich ins Bett und freue mich auf den nächsten Tag.
30.09.2022 – Dritter Versuch am Manaslu
Einen Monat bin ich nun unterwegs. Es ist erschöpfend, immer zu warten und im Basislager zu sitzen. Dabei sehe ich der Russin beim Fressen zu. Von Essen kann man bei der nicht sprechen.
Nochmal zum Manaslu
Daher bin ich froh, dass es heute nochmal losgeht. Raus aus der stickigen – wie wir sie inzwischen nennen – Löwenhöhle. Weil es nur ums Essen geht.
Also wieder zum Lager 1. Das fünfte Mal für mich. Ein zunehmend langweiliger Weg zunächst durchs Basislager und danach über den Gletscher.
Aber kommen uns viele abgekämpfte Bergsteiger entgegen. Ich spreche sie an. Teilweise haben sie den Gipfel erreicht. Teilweise sind sie erschöpft von den Wetterbedingungen umgekehrt.
Kälter als zuvor
Es ist kälter als bei unseren ersten zwei Versuchen als wir auf 5.700 m ankommen. Auch bekomme ich überraschend Kopfschmerzen. Eigentlich sollte ich gut akklimatisiert sein.
Daher liege ich im Schlafsack, trinke viel und hoffe, dass es vorbeigeht. Ich mache mir Sorgen, ob ich für den Gipfel wirklich stark genug bin. Der Verzicht auf die Ski hätte helfen sollen, aber irgendwie bin ich matt.
Verlorene Motivation
Ich fühle es auch: Ich verliere die Motivation. Warum macht man das eigentlich? Wozu fliegt man um die halbe Welt? Wozu investiert man so viel Geld und Zeit? Was soll der Manaslu? An diesem Tag zweifle ich an dem ganzen Vorhaben.
Mühsam geht der allabendliche Reis durch den Hals. Es wird eine unruhige Nacht.
01.10.2022 – Der Abbruch
Recht entspannt geht es zum Lager 2. Daher haben wir unser Frühstück erst um 7 Uhr. Mir passt das, kann ich mich zumindest aufwärmen. Die Nacht war schrecklich kalt.
Müdes Team
Auch den anderen aus dem Team geht es nicht besser. Irgendwie ist der Wurm drin. Eigentlich müsste ich mich besser akklimatisiert fühlen.
Nur noch wenige gehen zum Lager 2 hoch. Dadurch kommen wir schnell an den Schlüsselstellen durch. Nur die Russin benötigt wieder länger an den Leitern. Aber sie sagt ja: „Ich will mal auf nem 8.000er stehen!“
Wetter stabil?
Die Wettervorhersagen sind stabil. Perfekt für die nächsten Tage, um den Gipfel zu erreichen. Wir sind zuversichtlich, morgen Lager 3 zu erreichen und von da aus dann am Abend ab 19 Uhr zum Gipfel zu gehen.
Da es kühl wird, ziehe ich den Daunenanzug von Jost erstmals an. Er sitzt perfekt und hält warm. In der Nacht schlafe ich mit dem Anzug und es ist die erste Nacht in der ich tatsächlich nicht in den Hochlagern friere. Ich freue mich darauf, mit diesem Anzug zum Gipfel zu gehen.
Zuviel Schnee
Aber in der Nacht überraschend Schnee, Schnee, Schnee. Es fängt an zu schneien und hört nicht mehr auf.
Ich muss irgendwann für das große Geschäft raus. Der Schnee ist schon knietief. Fast rutsche ich in eine Gletscherspalte ab.
Ich kämpfe mich ins Zelt zurück. Ich zweifle erstmalig am morgigen Aufstieg und schlafe mit diesen Gedanken ein.
Zelt fast eingeschneit
Stirnlampen leuchten durch die letzten schneefreien Zentimeter unserer Zeltkuppel. Etwas klopft und versucht uns von der dichten Schneedecke zu befreien. Es sind unsere Sherpa.
Mit Schaufel und Teller arbeiten sie sich durch das Schneetreiben, bevor unsere Zelte unter der Last zusammenbrechen. Wie wir später hören, ist das in Lager 3 passiert. In Lager 4 wurden komplette Zelte verdeckt, so dass Ausrüstungsgegenstände nicht mehr gefunden wurden.
Es könnte sich ein weiteres Manaslu-Drama ereignen, denn die Lawinengefahr steigt stündlich.
Nervös bleibe ich halbwach liegen.
02.10.2022 – Überlebt
Wir kommen am nächsten Morgen nicht mehr vor und zurück. Der massive Schneefall hat unsere Zelte erneut zur Hälfte eingeschneit. Der Gipfel des Manaslu rückt in weite Ferne.
Risiko zu groß
Hoch ist keine Option, da über Lager 3 erneut heftige Winde gezogen sind. Mir war frühzeitig klar, dass wir abbrechen müssen. In den Alpen wären wir bei so einer Witterung nie unterwegs.
Bei Son sieht es anders aus. Er hat drei Jahre Urlaub gespart, um an dieser Expedition teilzunehmen. Aber wir werden umkehren. Das Leben ist wichtiger als jetzt russisches Roulette zu spielen.
Runter zu schwer
Also versuchen wir es runter. Um 8 Uhr starten wir im Gänsemarsch. Es gibt keinen Weg, keine Fixseile zur Orientierung. Mingma geht vorneweg und stochert fortlaufend im tiefen Schnee, um offene Spalten zu finden.
Wir kommen unendlich langsam voran. Nach einer halben Stunde und 200 Meter Weg geben wir auf und kehren zu unseren tief verschneiten Zelten zurück. Es ist erschöpfend das tief verborgene Fixseil auszugraben. Unsere Gruppe ist zu klein.
Gefangen in Lager 2
Mein Zeltpartner Son und ich bereiten uns auf eine weitere gefährliche Nacht im Zelt vor. Denn wir hören die Lawinen näherkommen. Es schneit unerbittlich weiter. In den heimatlichen Alpen hätte ich keinen Fuß in die Berge gesetzt, aber hier bin ich gefangen.
Spurarbeiten
Irgendwann hören wir eine größere Gruppe von Lager 3 kommend. Wir springen auf und schließen uns an. Vorneweg drei starke Sherpa, dahinter wir und zum Schluss nochmal Sherpa. Es geht meterweise voran. Was eine Leistung an der Spitze.
Albern wie dagegen die Russin agiert. Sie wackelt und zögert. An einer Mini-Spalte traut sie sich nicht weiter. Ich gehe vor und reiche ihr die Hand. In solchen Situationen muss man solchen Leuten helfen, auch wenn es schwerfällt.
Dann kommen wir an die Abseilstellen mit dem üblichen Stau. Immer wieder schaue ich nervös nach oben, ob sich eine Lawine lösen könnte. Wir stehen mit unseren Karabinern am Fixseil, als verschiedene Sherpa an uns vorbeigehen, um an der Spitze die Seile auszugraben.
Getroffen von einer Lawine
Und dann passiert es: Ich höre ein Rumpeln und sehe die Lawine von oben über einen Abhang spritzen. Ich kann noch kurz „Avalanche“ rufen und zur Seite springen, aber mit dem Fixseil ist kein entkommen.
Wir werden im oberen Teil getroffen, können uns aber halten. Unten ist es schlimmer. Sechs Personen sind zu einem Schneeknäuel zusammengeschoben. Sie müssen befreit werden.
Alle schauen sich nervös an. Jetzt heißt es, noch vorsichtiger abzusteigen. Aber es geht weiter nur langsam voran. Insbesondere die Leitern über die Gletscherspalten stellen für mich kaum nachvollziehbar die meisten vor große Herausforderungen.
Fall in die Gletscherspalte
Von oben sehe ich dann auch einen Iraner, der nur einen schnellen Schritt machen möchte. Aber die Leiter wackelt und er fällt ins Fixseil und hängt unter der Leiter in einer 15 Meter tiefen Spalte.
Aus eigener Kraft kommt er nicht hoch. In Panik ruft er um Hilfe. Nur mit viel Kraft und Gewalt ziehen ihn vier Leute raus. Aber das kostet wieder Zeit und wir stehen und lawinengefährdeten Abhängen. Ich bekomme wirkliche Angst.
Sherpa verunglückt
Dann geht es weiter und wir sehen einen Rucksack. Das Funkgerät wird angefunkt. Wir befürchten schlimmstes.
Der Sherpa, dem der Rucksack gehört, ist bei unserer Lawine in eine Gletscherspalte gespült worden und tot. Er ist neben uns abgestiegen, um die Fixseile zu suchen und war dabei nicht eingeklippt.
Der dritte Todesfall am Manaslu in diesem Jahr. Wir schaffen es, bis zum Lager 1 ohne weitere Zwischenfälle zu kommen und befinden uns fast in Sicherheit. Uns trennt nur noch der Gletscher vom Basislager.
Hoch über uns gehen wiederholt Lawinen runter. Es ist eine gefährliche Lage für alle in Lager 3 und 2.
Basislager von Lawine getroffen
Sogar das Basislager wurde von einer Staublawine getroffen. Es gab zum Glück nur Materialschäden, aber unser Küchenteam musste sich hinter Felsen verstecken.
Die Lawine hat unseren Bereich mit voller Wucht erreicht, aber es ist nicht passiert. Etwas lachen muss ich, als Bild berichtet, dass das Basislager auf 8.163 m getroffen wurde.
Still sitzen wir beim Abendessen. Wir haben alle Zeit der Welt. Nur die Russin steht wieder neben unserem Zeltdiener und greift selbst in die Töpfe. Widerlich diese Gier.
Bier mit den Sherpa
Und dann kommen alle Sherpa zu und stoßen mit uns mit Bier an. Nicht auf den Manaslu-Gipfel, aber auf die sichere Rückkehr nach dem heutigen Tag. Unglaublich, was diese Menschen leisten können. Schwer bepackt kamen sie erst im Dunklen an. Dabei Zelte aus zwei Lagern, Kocher, eigene Ausrüstung.
Der Koch lacht abschließend: Er hätte noch nie eine so lange und erfolglose Expedition erlebt. Er wäre jetzt seit 40 Tagen da, sonst dauerte es nur gut 25 Tage für ihn.
Wir lachen mit, auch wenn es schmerzhaft ist.
03.10.2022 – Ab ins Warme
Nach dem gestrigen Tag wecken mich die Rotoren der Hubschrauber. Die Saison ist vorbei und viele Touristen nehmen den direkten Weg nach Kathmandu.
Ich fühle mich unendlich müde. Mental erschöpft. Gerne hätte ich den Gipfel des Manaslu erreicht. Aber drei Versuche haben nicht gereicht.
Aufbruchstimmung im Basislager
Es herrscht derweil Aufbruchstimmung in unserem Lager. Alle – bis auf die Frauen – packen aktiv mit an, um die Matratzen, Teppiche, Zelte etc. abzurüsten. So können wir schneller nach Samagaun ins Warme absteigen.
Unterhaltsamer Rückweg nach Samagaun
Um 12 Uhr bin ich schon in unserem Hotel. Die Unterhaltung mit Andy und Marlies auf dem Weg runter war angenehm und kurzweilig. Andy konnte den Gipfel ohne zusätzlichen Sauerstoff erreichen.
Eine starke Leistung unter diesen Bedingungen. Er gibt aber auch zu, dass es Glück war und er als erfahrener Alpinist nie aufgestiegen wäre, wenn er gewusst hätte, wie sich die Lage entwickelt.
Die Luft ist allerdings raus. Wir schlendern gelangweilt durch die Gassen von Samagaun. Alle bemüht, lustig und entspannt zu sein. Aber es ist nur noch der Wunsch da, morgen nach Kathmandu zu kommen und dann individuell sein Leben planen zu können.
04.10.2022 – Helikopter-Flug
Vor wenigen Tagen gab es die Überraschung: Wir fliegen von Samagaun mit Helikoptern und müssen nicht gemäß Plan vier weitere Tage den Manaslu-Circuit wandern. Das erleichtert vieles nach den letzten Strapazen.
Buntes Treiben
In Samagaun sind zwei Helikopter-Landeplätze, die von den unterschiedlichen Betreibern angesteuert werden. Es geht zu wie an einem Bus-Terminal.
Die Kunden und Sherpa der verschiedenen Agenturen, Bewohner der Bergregion, riesige Haufen mit Gepäck und Ausrüstung und die wechselnd einfliegenden Hubschrauber vermischen sich zu einem bunten Wimmelbild.
Ständig werden Dinge ein- und ausgeladen. In der Regel sind es 20-Kilo-Reissäcke, aber auch mal ein Kühlschrank, der hochgeflogen wird. Dann geht es meist nochmal hoch ins Basislager mit Menschen und Waren.
Schnell nach unten
Dann sind wir dran. Es muss schnell gehen. Schneller als bei meinen letzten Blackhawk-Flügen in Afghanistan und im Kosovo. Denn wir müssen uns unsere Fluglinie mit anderen teilen. Und wer zuerst kommt….
Also schnell rein mit dem Gepäck und mit fünf Personen. Wir sitzen auf den Rucksäcken, meine Ski über uns. Mit Mühe schaue ich aus dem Fenster. In gut 20 Minuten verlieren wir rasch an Höhe und überfliegen verschiedene Vegetationslandschaften.
Als wir aussteigen ist es nicht mehr kalt und windig. Es ist warm und undankbar schwül. Jetzt warten wir, während der Satori-Rest eingeflogen wird.
Mit Spaß nach Kathmandu
Derweil spielen wir mit den Kindern des Dorfes auf einem riesigen Brett „Ludo“, eine verschärfte Version von „Mensch ärgere Dich nicht“. Ein Heidenspaß mit den lachenden Gesichtern drumherum.
Als endlich alle da sind, schnappen wir uns einen Bus der Agentur uns los geht es für sechs Stunden mit Bier, Cola und Spotify. Eigentlich der lustigste Teil des Tages, wenn sich die Russin wieder mal mit Essen an einer Straßenküche ungefragt und dreist vollstopft.
Aber ich sehe das erste Mal, wie auch die Inder die Augen verdrehen. Das beruhigt mich. Liege ich doch nicht so falsch mit meiner Wahrnehmung.
Im Bus muss ich dann auf den walartigen Körper der Russin schauen, die sich dort auf der vorderen Bank rumflätzt. Diesen Anblick muss ich am Ende des Tages mit ein paar Bier runterspülen. Auch wenn es mich einen Hang-over kostet.
So wird die Nacht im altbekannten Hotel ruhig und gediegen. Auch wegen der heißen Dusche vorneweg.
06.10.2022 – Ein schwerer Gang
Heute wird es nochmal schwer. Wir sind mit Anups Familie verabredet. Es soll ein kurzer Austausch sein, der sich aber schwierig gestaltet, da weder Witwe noch Bruder von Anup Englisch sprechen.
Unangenehm
Karol findet ein paar Worte, ich ergänze persönliche Erlebnisse. Aber es bleibt gezwungen.
Allein die Russin benimmt sich daneben als sie mir ins Ohr flüstert, dass Anups Sohn behindert und zurückgeblieben aussähe. Ich bin sprachlos und murmle irgendwas von „Sein Vater ist gerade gestorben und das bekommt man mit zehn Jahren mit.“
Versorgung für Sherpa Anup
Wir sitzen in der Hotellobby und beobachten, wie das Team des Juniper-Fund den Papierkram erledigt. Der Fund stellt für Hinterbliebene der Sherpa Mittel zur Verfügung. Für Anups Familie werden das 15.000 US-$ in fünf Jahren.
Ich bitte Rishi, meinen Gipfel-Bonus von 1.000 US-$ ebenfalls an die Familie zu übergeben. Ich bin mir sicher, mit Anup den Manaslu-Gipfel erreicht zu haben.
Darüberhinaus sammeln wir unter https://gofund.me/2ba4ee87 weitere Spenden aus unserem Netzwerk.
Nach gut einer Stunde verlassen uns Rishi und Anups Familie. Ich konnte noch ein paar Fotos zeigen und zumindest die Witwe und die Tochter zum Lächeln bringen.
Eine schwierige Situation für alle. Und ich bin froh, dass sie vorbei ist.
08.10.2022 – Ab nach Hause
Es reicht jetzt aber auch. Kathmandu ist auch beim zweiten Mal nicht interessanter als vorher. Allerdings war es in diesem Jahr schlimmer als letztes Jahr. Das Schreiben dient auch als Therapie.
Für mich gilt: Ich werde mich nie wieder einer „Gruppe“ anschließen, die keine Erfahrung mit Alpinismus hat und in der Personen wie die Russin auf dieser Basis eine besonders große Klappe bei völliger Unkenntnis haben.
Kraftverlust in 40 Tagen
Die letzten 40 Tage am Manaslu haben mich weniger körperlich als mental Kraft gekostet. Natürlich war die Situation mit Anup schwer für mich, aber das dauerhafte Zurückhalten gegenüber insbesondere Aussagen, Bewertungen und Meinungen der Russin war anstrengend.
Ich gönne es niemanden auf diese Weise einen Zen zu erreichen. Jetzt weiß ich, was toxische Personen sind.
Vorfreude auf zuhause
Aber immerhin endet das jetzt hier am Flughafen Kathmandu. Etwas früh klingelt der Wecker um 3:59 Uhr, aber sicher ist sicher. 23:00 Uhr MSZE könnte ich im Bett liegen
Ich freue mich auf zuhause, Käsespätzle, Kaiserschmarrn und ein eigenes Bett. In ein paar Tagen ist die emotionale Belastung am Manaslu vergessen.
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