Summits

Hygiene und Nebenwirkungen auf einer Höhen-Expedition


Zehn Tage haben wir nicht geduscht. Der Geruch ist schlimm. Im Basislager Plaza de Mulas dürfen wir uns den ersten Schmutz runterwaschen. Eine Höhen-Expedition erfordert Abstriche bei der Hygiene. Und sie hat Nebenwirkungen für den Körper.

Den Artikel habe ich direkt am Ende des Tages auf dem Smartphone geschrieben. Er zeigt ungefiltert persönliche Emotionen und Wahrnehmung bei der Besteigung. Etwaige Rechtschreibfehler bitte ich zu verzeihen.

Der Aconcagua ist ein trockener Berg. Unsere 360°-Polen-Traverse bietet zwar nach Angaben der Bergführer beste Möglichkeiten, um Schnee zu kochen. Trotzdem bleibt Wasser Mangelware. Genauso wie auf dem Kilimanjaro reicht es in den Hochlagern gerade zum Trinken und Zähneputzen. Trinken ist dabei unerlässlich. Im Zuge der Akklimatisierung (was ist das?) müssen Bergsteiger viel trinken, bei mir waren es fünf Liter am Tag. Und davon bleibt ein Tropfen für die Zähne. Das war es dann auch.

In den Basislagern gibt es mehr Wasser. Dort können Expeditionsteilnehmer auch duschen. Für rund 20 US-Dollar wärmen die Mitarbeiter der Agenturen Wasser auf. Diese 10 – 20 Liter müssen dann für eine heiße Dusche reichen.

Die Pee-Bottle: Pipi in der Nacht

Ein je nachdem größeres Problem ist es nachts aufzustehen oder zu pinkeln. Durch das viele Trinken trifft es jeden. Bei mir war es in der Regel ein- bis zweimal, dass ich wach wurde. Da es in der Nacht sehr kalt wird, will man nicht immer aus dem Zelt raus. Dann gibt es die Variante der Pee-Bottle. Eine Flasche mit großem Hals für Männer oder ein Container mit einer länglichen Öffnung für Frauen. Diese gilt es im Schlafsack zu treffen. Nur aufpassen, dass man keinen Krampf kriegt.

Wenn die Flasche voll ist (circa 1 – 1,5 Liter) muss man dann doch wieder raus. Bei minus 20°C aus dem warmen Schlafsack, Stiefel anziehen und die Flasche wegschütten ist wirklich unangenehm.

Dabei gibt es auch ein Altersproblem für Männer: Ich habe mit einem 59jährigen Expeditionsteilnehmer gesprochen. Für ihn war so eine Reise die letzte. Er sagte mir, dass das Nachts-raus-müssen ein Riesenproblem sein. Die Prostata nerve, daher müsse er fünf- bis sechsmal die Nacht raus. Dadurch stieg meine Bewunderung für ältere Bergsteiger, die weiterhin solche Touren mitmachen und Rekorde auf den Seven Summits aufstellen.

Tipp für Männer: Statt einer teuren Pee-Bottle aus dem Versand reicht auch eine große Gatorade-Flasche aus.

Die „bolsa negra“

Eine in vielen Foren vor der Expedition zum Aconcagua unbeantwortete Frage, war die nach dem „großen Geschäft“. Bis zum Basislager Plaza Argentina gibt es Plumpsklos, die auch durch den Stab rund um die Lager gewartet und gereinigt werden. Teilweise sind das sogar Porzellan-Schüsseln.

Ab den Hochlagern (hier die Artikel zu den Camps auf 5.000m, 5.500m, 6.000m) funktioniert das nicht mehr. Hier gibt es keine Plumpsklos, da auch die menschlichen Exkremente nicht mehr verrotten. Daher erhält jeder Teilnehmer für sein großes Geschäft einen schwarzen Beutel. Die „bolsa negra“. Die offizielle Version der Parkverwaltung ist eigentlich rot, also eine „bolsa rojo“. Die gibt es aber nicht in ausreichender Menge. Daher bringen die Bergführer schwarze Beutel mit. Gelegentlich prüfen die Park-Ranger, ob genügend Beutel dabei sind. Ein Fehlen ist mit Strafen belegt.

Die Nutzung erfordert dabei eine gewisse Technik. Verschiedene Varianten stehen zur Auswahl. Mein Favorit ist:

  • Beutel aufrollen,
  • einen kleinen Stein reinlegen, damit der Beutel beim Wind nicht wegfliegt,
  • vorher urinieren,
  • mit dem „großen Geschäft“ treffen,
  • Beutel gut verknoten.

Danach geht dieser auf einen zentralen Sammelplatz im Lager und wird durch die Träger mit ins Basislager genommen.

Aber auch am Gipfeltag kann es jemanden erwischen. Auf circa 6.300m musste ich mir eine bolsa negra besorgen und bei einer Rast an einem steileren Abhang nah zur Gruppe alles erledigen. Den warmen Beutel habe ich Wegesrand abgelegt und beim Abstieg gefroren wieder mitgenommen. Nichts sollte da oben von uns Menschen übrig bleiben, was da nicht hin gehört.

Trotz allem sind asoziale Verhaltensweisen gang und gebe. In manchen Ecken der Lager finden sich Tretminen – nicht verrottete Exkremente und das Toilettenpapier. Jeder, der an einer Expedition teilnimmt, sollte sich an die Regeln des Parkes, Berge und der Bergführer halten. Dazu zählt es auch, an einem festgelegten Ort sein Geschäft zu erledigen. Es kann nicht sein, dass sich jeder irgendwie für seine eigenes Klo entscheidet.

Finger und Lippen rissig

Ein ganz anderes Problem in der Höhe ist die zunehmend schlechter werdende Haut. Durch die Kälte, Trockenheit und Sonneneinstrahlung werden Lippen und Finger rissig. Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor 50, Blistex und unterschiedliche andere Cremes und Reliefs von den Teampartnern aus Irland, Argentinien und Kanada halfen nicht. In der Höhe muss man damit leben.

Während in der Höhe das Problem zwar kaum bemerkt wird, dauert das Abheilen recht lange. Runde zehn Tage dauerte der Heilungsverlauf insbesondere der Lippen. Der beherzte Biss in einen krossen Burger am Abend des 31. Dezember endete in brennenden Schmerzen und blutigen Lippen. Ich war in Argentinien und nicht in der Lage ein Steak mit Pommes Frites zu essen. Ein persönliches Drama.

Im Video: Unsere Örtlichkeiten im Basislager Plaza Argentina


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