Für Denali: DAV Hochtourenwoche Ortler
Knirschendes Eis unter den Füßen. Fest bohren sich die Zacken durch die gefrorene Schicht. Das Seil vor mir pendelt bei jedem Schritt von links nach rechts und zurück. Der Eispickel steckt zwischen Rucksack und Rücken. Schnell greifbar bei Bedarf.
Innerhalb von fünf Tagen besteigen wir im Rahmen der Hochtourenwoche des Deutschen Alpenvereins vier Dreitausender rund um den Ortler. Zum Finale am Sonntag geht es dann zur Königsspitze. Ein nicht risikoloses Unterfangen von Toby und mir.
Zwar bin ich schon ähnlich mit Steigeisen zum Aconcagua und zum Elbrus gestiegen. Aber das war nichts im Vergleich zu dem, was noch auf mich wartet. Mit Denali, Vinson und Everest warten noch Summits auf mich, die mehr als alpine Grundkenntnisse erfordern.

Ziel: Sicherheit im Eis
Das Ziel liegt aber vor den Augen. Und dann gibt es einen Plan mit Arbeitspaketen, um es zu erreichen. Die DAV Hochtourenwoche ist eines. Eisklettern folgt im Februar.
Wir sind eine bunte Truppe von sechs Männern und unserem Bergführer Richard. Ein erfahrener und gelassener Mann, für den Sicherheit und der Genuss in der Natur im Zentrum stehen. Das ist für diese Tour des Summitclubs genau das Richtige.
Unsere vier Gipfel sind der Palon de la Mare, die Punta San Matteo, der Cevedale und der Monte Pasquale. Ein bunter Mix von 3.000ern hier in der Lombardei. Das musste ich erstmal erkennen. Waren wir doch nicht in Südtirol, sondern in dieser italienisch sprechenden Region. Auch wenn es „rund um den Ortler heißt“.
Die Anreise ist aufwändig. Selbst mit dem Auto dauert es ewig in den abgeschiedenen Zipfel mit dem Örtchen Santa Caterina zu kommen. Die Rückreise am Ende der Hochtourenwoche läuft mit zwei Buslinien, zwei Zugverbindungen und dem Flug von Bergamo nach Hamburg ähnlich komplex für eine Reise innerhalb Europas.
Egal, wir sind da. Angekommen in der Branca-Hütte auf 2.487 m. Von hier aus geht es los. Mal schauen, was mich beim DAV erwartet.
Erfüllte DAV Hochtourenwoche
Und die Woche hält, was die Webseite verspricht. Die Hochtourenwoche ist mit rund 900 Euro plus Anreise plus Mittagssnack kein Schnapper. Ein kleines Stück Kuchen und ein kleiner Cappuccino kosten 7,50 Euro, eine mittlere Spezi 4,50 Euro. Da kommt was zusammen. Dafür ist das Abendessen mehrgängig. Vorspeise, Pasta mit Nachschlag, Hauptspeise und Dessert. Mit dem reichhaltigen Frühstück kommen da einige Kalorien zusammen. Die brauchen wir aber auch. Wir essen spät bis fast 20:30 Uhr, der Magen knurrt schon wieder um 4:30 Uhr. Verrückt!
Am Montag starten wir also zu unserem ersten Gipfel. Ich bin gespannt, ob es Herausforderungen gibt. Um 5:20 Uhr steigen wir zu. Über Geröllfelder geht es hoch zum Palon de la Mare (3.705 m). Der Gletscher beginnt auf gut 3.200 Metern. Hier folgt ein Aufschwung für uns nach rechts und links geht es dann über einen kleinen Grat zum Gipfel. Alles einfach.
Für den Abstieg hat sich Bergführer Richard ein Schmankerl überlegt: Es geht über einen Grat im kombinierten Gelände abwärts. Das heißt erstmalig für mich mit Steigeisen über Fels zu klettern.

Meine Trittsicherheit ist noch gering. Die Zacken kratzen über den Fels. Ob das hält?
Ich bin froh nach einer gefühlten Ewigkeit wieder auf dem Eis des Gletschers zu stehen. Einfach ist der Abstieg. Und nach gut 10 Stunden sind wir wieder in der Branca-Hütte.
Unsicherheit am Grat
Müde kriechen wir ins Bett. Aber schon um 4:30 Uhr klingelt am nächsten Tag der Wecker. Heute geht es zur Punta San Matteo (3.678 m). Der Aufstieg ist gleich wie zum Palon de la Mare. Nur, dass wir uns weiter rechts halten. Und da wartet mein erster schmaler Grat. Mit weichen Knien geht es im Gänsemarsch rüber. Mir viel zu langsam. Links und rechts geht es steil runter. Endlich stehen wir auf dem Plateau.
Allerdings haben wir keine Sicht und steigen relativ schnell wieder ab. Und dann noch das: Bergführer Richard will auf dem Grat ein Foto von uns machen. Meine Knie sind weich wie Matsch. Ich denke jeden Moment abzurutschen. Ich konzentriere mich auf meinen Atem und fühle mich wieder sicherer. Dann geht es endlich weiter. Bin ich froh, als wir auf dem breiten Gletscher stehen und zur Branca-Hütte absteigen. Morgen ist zum Glück Ruhetag.
Aber die zwei Besteigungen bringen mich technisch und moralisch weiter. Das merke ich direkt.
Highlight Cevedale
Am Mittwoch ziehen wir zur Pizzini-Hütte um. Die liegt auf 2.706 Metern. Wir spazieren entspannt durch ein weites Tal und genießen noch einen Ausflug zum Zebrù-Pass. Dort finden wir Stellungen aus dem Gebirgskrieg 1915 bis 1918. Ich bewundere die Soldaten, die in schlechter Ausrüstung hier ausgeharrt haben. Warum muss man eigentlich Krieg führen, frage ich mich.
Am folgenden Tag „schlafen wir aus“. Erst um 5:40 Uhr geht es zum Cevedale los. Ein Highlight nicht nur in der DAV Hochtourenwoche. Der Gipfel ist mit 3.769 m der höchste ganz auf dem Gebiet der Lombardei liegende. Und damit Ziel vieler Norditaliener. Der Cevedale ist ein guter Marsch von 8:30 Stunden hoch und runter. Technisch weniger schwierig mit steilen Aufschwüngen.
Der Rückweg führt uns über die alte Weltkriegsstellung der „Drei Kanonen“ (Tre Cannoni) und die Casati-Hütte.

Das Vertrauen steigt
Nach den bisher gesammelten Erfahrungen genießen wir diese Tour. Mein Vertrauen in Steigeisen und Tritte nimmt zu.
Bergführer Richard behält am nächsten Tag ein paar Highlights für uns bereit. Wir starten erst um 6:00 Uhr zum Monte Pasquale (3.553 m). Die Hochtour hat es aber in sich. Wir gehen auf steilem Eis, klettern in 60 Grad steilem Firn und dürfen nochmal mit Steigeisen über Fels. Wir erreichen ein neues Niveau.
Als Richard dann an einer wenig gefährlichen Stelle einen Sturz simuliert, schalten wir nicht schnell genug. Toby spring hinterher, dann ich, dann Alex. Nur Max hält den Sturz. Der hat ja schon einen Gletscher-Kurs hinter sich. Lachend sitzen wir auf dem Hosenboden. So was passiert eigentlich nur der „Police Academy“. Wir sind jetzt die „Alpine Acadamy“.
Das war ein Spaß!

Nächstes Jahr gehe ich auf jeden Fall Eisklettern.
Genuss an der Hochtour
Denn inzwischen konzentriere ich mich auch nicht nur auf mich, sondern genieße das Naturschauspiel aus Schnee, Sonne und Wolken. Das ist er Genuss, auf den ich gewartet habe.
Nach dem Abstieg folgt die übliche Verabschiedung. Eine Woche, die viel zu schnell verronnen ist. Aber mich und die anderen weitergebracht hat.
Den Erfolgen an Denali, Vinson und Everest steht wieder mal noch weniger entgegen. Aber davor gibt es kurzfristig noch ein Highlight: Die Königsspitze, Gran Zebrù, 3.851 m, steht für Sonntag an.
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Du verrückter Abenteurer! Ein toller Bericht und noch tollere Bilder: Danke fürs Mitnehmen.