Abenteuer

Zum Hocheck (2.651m) am Watzmann im Oktober


Mein Wander- und Kletterpartner Toby und ich haben Großes vor: Das Ziel ist heute die Mittelspitze des Watzmanns. Der dritthöchste Berg Deutschlands reizt Toby seit längerem, mich nicht so ganz. Wegen der Bodenbeschaffenheit werden wir auf die Gesamt-Tour verzichten und „nur“ zum Hocheck gehen.

Der Bericht zum Hocheck zeigt meine subjektiven Einschätzungen. Das Niveau, das ich für meine Bewertung der Schwierigkeit anlege, ist ein mittleres. Auf einer Skala von 1 bis 10 ordne ich mich bei 6 bis 7 ein. Ich bin kein Bergführer, aber auch kein unerfahrener Wanderer, der noch nie auf höheren Gipfel stand. Meine Trittsicherheit und Schwindelfreiheit will ich nicht über- oder unterbewerten. Es ist manchmal auch Tagesform abhängig.

Um 5:30 Uhr stehen Toby und ich schon vor der ersten Herausforderung. Eigentlich sollte uns ein Taxi von Bad Reichenhall nach Ramsau bringen. Vor dem Hotel wartet kein Taxi auf uns. Toby hatte in der Nacht zuvor schon ein Gefühl dafür, aber auf seinen berühmten Doppel-Check verzichtet.

Unser Glück: In der Taxi-Zentrale ist Licht. Der Fahrer nimmt uns spontan auf und bringt uns weiter Richtung Berchtesgaden. Und dann stehen wir im Dunkeln. Er hat zwar ein Salzburger Unternehmen angefunkt, das uns weiterbringen soll. Und irgendwann kommt ein Auto. Das österreichische Taxi, das uns zum Parkplatz an der Wimbachbrücke bringt.

Von der Wimbachbrücke zum Watzmannhaus

Toby ist heiß auf den Watzmann. Ich selbst fühle ich mich mittel-motiviert. Nach dem gestrigen Kletterausflug würde ich lieber nochmal an den Fels. Aber was tut man nicht alles für seinen Wander-Freund.

Endlich geht es los: 6:22 Uhr passieren wir die Brücke und steigen im Dunkel des Tales den sehr gut restaurierten Watzmannhaus-Weg hoch. Teilweise leicht steile Passage, aber mit dem Powercube Toby geht es dynamisch weiter. Pausen benötigen wir keine. Bald schon sehen wir den rot-goldenen Schimmer am Horizont und innerhalb weniger Minuten leuchtet um uns die Natur. Ein wunderschöner Anblick, den der würzige Herbstgeruch des Laubes verstärkt. Die Temperatur sind schon zu Beginn mit 8° C mehr als moderat. Als die Sonne rauskommt, beginnt das Schwitzen.

Morgensonne auf dem Weg zum Watzmannhaus
Morgensonne auf dem Weg zum Watzmannhaus

Wir benötigen für die circa 1.300 Höhenmeter vom Parkplatz (640m) bis zum Watzmannhaus (1.928m) genau zwei Stunden.

Leider haben wir uns nicht genau informiert. Trotz des großartigen Wetters bleibt das Watzmannhaus geschlossen. Unser Zwischenziel, ein heißer Kaffee, entfällt damit. Wir genießen auf der Bank die wärmende Sonne und ein paar Snacks.

Jetzt wechsle ich von den Jogging-Schuhen in die Bergstiefel, mit denen ich mich zu Beginn leichter tue. Der Watzmannhaus-Weg ist ein einfacher Wanderweg, bei denen die Stiefel zu viel gewesen wären.

Um 8:45 Uhr geht es weiter.

Vom Watzmannhaus zum Hocheck

Wir starten dynamisch in den zweiten der geplanten drei Abschnitte zur Mittelspitze. Das Wetter ist prächtig. Meine geringe Motivation macht sich in einer gewissen Unsicherheit in Geröll und Fels bemerkbar. Aber circa 2.100m nehmen die Schneefelder zu. Teilweise sind die vorhandenen Spuren vereist und glatt.

Ich bin bocklos. Stapfe rutschend nach oben. Trittsicher ist anders. Der Grat verunsichert mich. Der drahtseilgesicherte Hochstieg hilft dort auch nicht. Aber vorwärts immer, rückwärts nimmer, denke ich mir schmunzelnd.

Nicolas beim Aufstieg durch Geröll
Nicolas beim Aufstieg durch Geröllpfade

Dann liegt der letzte Sattel vor uns. Die Schrofen sind schneebedeckt und vereist. Pärchen kommen im Trippel-Schritt und teilweise rutschend  auf allen Vieren nach unten. Der Pfad ist vereist und glatt. Das verbessert meine Gemütslage nicht.

Dann mal hoch da. Das geht erstaunlich gut.

Auf dem Hocheck

Um 10:45 Uhr erreiche ich das Gipfelkreuz. Mir ist aber klar, dass es nicht zur Mittelspitze weitergeht. Toby auch. Der Grat ist vereist und ohne Steigeisen geht es nicht weiter.

Eine Oktober-Besteigung des Watzmann ist offensichtlich nicht unmöglich, aber mit Risiken behaftet.

Wir stehen in der Sonne auf 2.651m. Wie schon den ganzen Tag fühle ich mich unwohl und unruhig. Den Gipfel genieße ich nicht wirklich. Ich will wieder runter und den an diesem Tag für mich risikoreichen Abstieg über den Sattel hinter mir haben.

Nicolas will runter ;-)
Nicolas will runter 😉

Gegen 11:15 Uhr steigen wir wieder ab. Es geht uns wie den Pärchen vorher: Wir rutschen und gleiten. Nur abseits der Spur treten wir im Schnee recht sicher. Weiter geht es über den Geröllpfad wieder runter. Ab und ab rutschen wir wieder. Aber meine Laune und damit mein Selbstbewusstsein kommen zurück.

Gegen 13:00 Uhr sind wir am Watzmannhaus. Dort relaxen wir mit vielen anderen Wanderern in der Sonne. Ein herrliches Gefühl, das ich auskoste.

Ab hier geht es entspannt abwärts. Der Weg zum Parkplatz ist nur noch Plaisier und ich kann wieder lächeln.

Lehre des Tages vom Hocheck

Für mich war der Tag eine interessante Lehre: Wenn die Motivation für ein größeres Ziel nicht da ist, fehlt es auch an anderen Selbstverständlichkeiten, wie Konzentration, Mut, Selbstsicherheit, körperliche Präsenz. Daher gilt für mich umso mehr bei den nächsten größeren Vorhaben, wie im Dezember dem Kilimanjaro oder im nächsten Jahr die Carstensz-Pyramide, eine klare Fokussierung mit Begeisterung.

Das gilt für alles, was wir Menschen anfassen: Etwas zu tun, weil es getan werden muss, wird selten ein persönlicher Erfolg. Wir sollten daher immer den Funken suchen, der uns begeistert und motiviert.

Trotzdem hat mich der Watzmann gepackt. Die Überschreitung des Grates liegt für Ende August 2018 an. Toby freut sich schon. Ich werde berichten.


Bilder-Galerie zum Hocheck im Oktober

Die Galerie zeigt dir Impressionen zur unserer Tour in chronologischer Folge:


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